Frage 1: Die politischen Aussichten in den USA sind ungewiss: Werden die fiskalischen Anreize in erster Linie das Wirtschaftswachstum ankurbeln oder nur die Inflation anheizen und werden sich die US-Zölle als verkraftbar oder als störend für den Rest der Welt erweisen?
Insgesamt sind wir der Meinung, dass die Märkte auf die potenziellen Auswirkungen der Zölle auf die Inflation und ganz allgemein auf die Folgen von Donald Trumps Einfluss auf die Wirtschaftsaussichten überreagiert haben könnten. Viele glauben, dass Trumps Ankunft mehr Wachstum und Inflation bedeuten wird. Zugegeben, das könnte stimmen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Trump wird mit zwei zentralen Problemen zu kämpfen haben: Wachstum und Inflation.
Er wird seine potenziell inflationäre Agenda aufgrund der Zölle und Steuersenkungen mit seinen Wahlkampfversprechen zur Inflationsbekämpfung in Einklang bringen müssen. Es ist unklar, ob der derzeitige amerikanische Körperschaftssteuersatz von 21 % im Jahr 2025 beibehalten wird. Während dieser Satz derzeit festgeschrieben ist, laufen andere Bestimmungen des sogenannten “Tax Cut and Jobs Act”, der während Trumps erster Amtszeit unterzeichnet wurde, am Ende des US-Steuerjahres 2025 (30. September 2025) aus. Für eine Änderung des Körperschaftssteuersatzes ist die Zustimmung des Kongresses erforderlich. Bislang wurde kein neues Gesetz zur Änderung des bestehenden Steuersatzes erlassen.
Darüber hinaus ist erwähnenswert, dass die höheren Zölle, die seit Trump 1.0 (erste Amtszeit) in Kraft sind, das Handelsdefizit (Importe übersteigen Exporte) nicht verringert haben. Es hat sich sogar noch vergrößert. Schließlich erlaubt ein stärkerer US-Dollar den US-Importeuren, mehr zu importieren, schadet aber den US-Exporteuren. Wir sind der Meinung, dass Zölle ein Mittel zum Zweck sind, nicht ein Ziel an sich. Da Trumps Entourage im Vergleich zu Trump 1.0 anscheinend wirtschaftsfreundlicher ist, könnte der politische Ton der neuen Administration ausgewogener sein, auch wenn er immer noch von "America First" geprägt ist.
Trump steht vor ähnlichen Herausforderungen in Bezug auf das Wachstum. Steuerliche Anreize, wenn sie nicht so groß sind, dass sie Inflation und steigende Zinsen auslösen, sind positiv für die Wirtschaft. Und, was ist mit den Anti-Einwanderungsgesetzen? Eine Verschärfung der Einwanderungspolitik für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte, die gerade von Technologieunternehmen in großem Umfang eingestellt werden, könnte zu einer verstärkten Verlagerung von Unternehmen ins Ausland führen, was im Widerspruch zu Trumps Ziel steht, Arbeitsplätze in die USA zu verlagern.
Aus Anlagesicht behalten wir eine Übergewichtung von Aktien bei, wobei wir US-Aktien bevorzugen. Das nach wie vor starke US-Wachstum (siehe weiter unten), das durch einen KI-Investitionszyklus und die Leitzinssenkungen der US-Notenbank (Fed) unterstützt wird, sind positive Katalysatoren. Unterdessen haben uns die Risiken einer höheren Inflation dazu veranlasst, inflationsgeschützte Anleihen mit kürzerer Laufzeit gegen solche mit längerer Laufzeit zu tauschen. Außerdem dürften sich die Zölle negativ auf den Rest der Welt auswirken. Wir haben vor kurzem unser Engagement in europäischen Aktien reduziert und haben keine taktischen Positionen in Schwellenländern, weder bei Aktien noch bei Anleihen.
Frage 2: Die Renditen von Staatsanleihen waren in den vergangenen zwölf Monaten recht volatil, da die Anleger ihre Leitzinserwartungen angepasst haben. Was können wir im Jahr 2025 erwarten?
Die Markterwartungen in Bezug auf die Notenbankzinsen sind notorisch volatil. Der jüngste Anstieg der US-Renditen hatte Auswirkungen auf die europäischen Märkte, insbesondere im Vereinigten Königreich, die durch inländische Faktoren noch verstärkt wurden. Der jüngste Ausverkauf bei britischen Staatsanleihen unterstreicht das fragile Gleichgewicht, in dem sich die Zentralbanken zwischen Inflationsbekämpfung und Wahrung der Finanzstabilität befinden, sowie die Notwendigkeit für die Regierung, Haushaltsdisziplin zu wahren.
Dennoch gehen wir davon aus, dass die meisten Notenbanken weltweit ihre Leitzinssätze 2025 weiter senken werden, da sich die Inflation ihrem Ziel nähert. Dies bedeutet, dass Zinssenkungen wahrscheinlich weiterhin Rückenwind für Anleihen bieten werden. Allerdings dürften die Zentralbanken die Zinsen nur auf ein "normaleres" Niveau von etwa 4 % in den USA und im Vereinigten Königreich und 2 % in der Eurozone senken und nicht auf die Tiefststände, die wir nach der globalen Finanzkrise erlebt haben.
Schleppendere Wachstumsaussichten und eine niedrigere europäische Inflation machen es der Europäischen Zentralbank und der Bank of England leichter, ihre Leitzinsen zu senken. Aus diesem Grund sind wir bei kurzlaufenden Staatsanleihen übergewichtet, die weniger empfindlich auf die fiskalischen Aussichten reagieren und stärker vom kurzfristigen Kurs der Zentralbank abhängig sind.
Dagegen sind die Aussichten für die USA weniger klar, da Fed-Chef Powell die Erwartungen für Leitzinssenkungen aufgrund solider US-Wirtschaftsdaten gedämpft hat. Dennoch glauben wir, dass die Fed nach einer mehrmonatigen Pause im Jahr 2025 aus folgenden Gründen ihre Leitzinsen weiter senken wird:
- Wenn sich die Inflation so weiter entwickelt wie in den letzten Monaten, sollte sie sich dem Zielwert im Jahr 2025 annähern.
- Trotz der Erwartungen, dass Trump 2.0 inflationär wirken könnte, sind die Markterwartungen für das langfristige Inflationsniveau gut verankert.
- Wir rechnen mit einer moderaten Wachstumsverlangsamung in den USA (auf 2 – 2,5 %), was den Aufwärtstrend der Anleiherenditen begrenzen dürfte. Im Jahr 2024 war das stärkere Wachstum (2,5 – 3 %) auch ein Grund dafür, dass die Renditen von US-Schatzpapieren trotz der beginnenden Zinssenkungen der Fed nicht deutlich nachgaben.
- Die Finanzierungsbedingungen sind in den USA immer noch restriktiv. So müssen kleine Unternehmen immer noch rund 9 % für kurzfristige Kredite zahlen. In der Vergangenheit hat die Fed einen Zinssenkungszyklus eingeleitet, als die Inflation bei einem robusten Wachstum knapp über 3 % lag.
Frage 3: Der Anteil der größten Unternehmen am US-Aktienmarkt ist auf einem Rekordhoch. Stellt dieser Grad der Marktkonzentration ein Risiko für US-Aktien dar?
Wir haben schon so oft gehört, dass der US-Markt überbewertet ist. Jetzt hören wir, dass er konzentriert ist. Während Währungen dazu neigen, über (lange) Zeit sich ihrem Mittelwert zu nähern, gibt es bei Aktien weniger Beweise dafür. Die Bewertung ist kein Timing-Instrument, und eine hohe Bewertung ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Der Anstieg der Bewertungen trug wesentlich zur guten Performance des Aktienmarktes im Jahr 2024 bei und machte mehr als die Hälfte der Rendite des S&P 500 Aktienindex und fast die Hälfte der Rendite des globalen MSCI All-Country Index aus. Das Marktkonzentrationsrisiko bezieht sich auf die Gefahr, dass man sich bei der Anlage zu sehr auf einige wenige Unternehmen oder Branchen verlässt. Obwohl wir einen diversifizierten Ansatz verfolgen, könnte bei einigen der von uns gehaltenen Anlagen ein Konzentrationsrisiko vorhanden sein.
So halten wir beispielsweise aufgrund des laufenden KI-Investitionszyklus nach wie vor an “Large Caps” und Technologieunternehmen fest. Sie dominieren jedoch die Wall Street. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die kombinierte Marktkapitalisierung der sieben größten börsennotierten US-Unternehmen (die “Magnificent 7”) mehr als ein Drittel der gesamten Marktkapitalisierung des S&P 500 ausmacht. Im Vergleich zu ihren Konkurrenten haben die Magnificent 7 im Jahr 2024 um 10,5 Billionen US-Dollar an Marktwert hinzugewonnen; das entspricht der Größe der französischen, deutschen und britischen Aktienmärkte zusammen.
Die Konzentration ist jedoch nicht nur ein US-Risiko. Auf die größten 10 % der Unternehmen im S&P 500 oder im Nasdaq 100 Index entfallen rund 60 % beider Indizes. Auf die größten 10 % der Unternehmen im paneuropäischen STOXX 600-Index entfallen jedoch 58 % des Indexes und 45 % im britischen FTSE 100-Index und im japanischen Nikkei-Index. Hinzu kommt, dass diese führenden US-Unternehmen im Jahr 2024 starke Gewinne von durchschnittlich rund 15 % erzielten, was dieses Konzentrationsrisiko abschwächt.
Wie gehen wir also mit diesem Risiko um? Wir haben unser Engagement weg von Tech und Large Caps diversifiziert, indem wir den S&P Equal Weight Index, also eine gleichgewichtete Variante des US-Leitzindex, in unsere Portfolios aufgenommen haben. Trumps Politik deutet auf eine Ausweitung des Wachstums auch auf andere Branchen hin. Weniger Regulierung würde den Finanzwerten zugutekommen. Steueranreize, Zölle auf Offshoring sowie eine Sonderwirtschaftszone würden die Industrieunternehmen unterstützen. Es gibt hier auch ein Bewertungsargument, da dieser Teil des Marktes eher durchschnittliche Bewertungen aufweist.
US-Inflation steht diese Woche im Fokus
Der Schwerpunkt in Sachen Konjunkturdaten liegt diese Woche auf den Inflationsdaten aus den USA und dem Vereinigten Königreich (beide am Mittwoch). Es wird erwartet, dass die US-Verbraucherpreise im Dezember um knapp 3 % gestiegen sind, was hauptsächlich auf einen Anstieg der Energie- und möglicherweise auch der Dienstleistungspreise zurückzuführen sein dürfte. Die Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelpreise) dürfte mit 3,3 % weiter etwas höher liegen.
In der Eurozone wird die erste deutsche Wachstumsschätzung für 2024 in Sachen Bruttoinlandsprodukt ebenfalls am Mittwoch im Rampenlicht stehen. Die Wirtschaft dürfte dabei das zweite Jahr in Folge leicht geschrumpft sein (die Konsensprognose liegt bei -0,1 % im Vergleich zum Vorjahr). Dies würde die Argumente für weitere Leitzinssenkungen der EZB untermauern. In Asien dürfte die chinesische Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2024 (Freitag) in Richtung von Pekings Ziel von 5 % gestiegen sein, was durch die Konjunkturmaßnahmen Ende 2024 unterstützt wurde.
Diese Woche startet die US-Zahlensaison für das vierte Quartal 2024, wobei JP Morgan und UnitedHealth zu den ersten gehören, die in der zweiten Wochenhälfte berichten werden.
Hinweis: Jeder Hinweis auf die Portfoliopositionierung bezieht sich auf unsere Kernportfolios mit Verwaltungsvollmacht. Kunden mit maßgeschneiderten oder beratenden Portfolios sollten sich bei ihrem Kundenberater über ihre aktuelle Positionierung informieren.
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