Die Finanzmärkte haben sich in der Vorwoche trotz anhaltender Schwankungen etwas stabilisiert. Die veröffentlichten Wachstumsdaten für das erste Quartal erinnern nicht nur die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks daran, dass die Inflation nicht das einzige Problem ist. Die US-Wirtschaft schrumpfte von Januar bis März gegenüber dem allerdings sehr starken Vorquartal annualisiert unerwartet um -1,4%. Allerdings fußt dies vorrangig auf einem steigenden Handelsdefizit (starker Importanstieg, sprich Aufbau der Lagerbestände - was auf steigende Nachfrage nach vorne hindeutet), während der private Konsum ordentlich zulegte und Amerikas Firmen auch mehr investierten. Daher dürfte es im laufenden zweiten Quartal wieder auf Wachstum hinauslaufen. Deutschland wie auch die Eurozone insgesamt schrammten im Startquartal 2022 mit jeweils einem minimalen +0,2% Wachstum zum Vorquartal nur knapp an einer Rezession vorbei. Allerdings lag die Wirtschaftsleistung um vier Prozent (Eurozone: um fünf Prozent) über der des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Dabei dürfte der Inflationsdruck aufgrund der von der Ukraine und China ausgehenden Störungen hoch bleiben: Im April kletterten die deutschen Verbraucherpreise, neben Energie- zunehmend durch höhere Nahrungsmittelpreise getrieben, um +7,4% (Euroraum: +7,5%). Die geopolitischen Risiken im Zusammenhang mit den Energiemärkten dürfte die Märkte zwar in Atem halten, da keine eindeutige Lösung in Sicht ist und weitere Sanktionen gegen Russland - wie von EU-Seite ein Öl-Embargo - in Vorbereitung sind. Trotz dieser Risiken gehen wir davon aus, dass die Fed und zunehmend wahrscheinlich auch die EZB die geldpolitische Unterstützung reduzieren werden.
Die Fed dürfte bereits übermorgen ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf die dann neue Spanne 0,75% bis 1,0% hochfahren. Wir halten zwar auch bei der dann Mitte Juni folgenden Sitzung noch einmal einen solch großen Schritt für realistisch. Doch im zweiten Halbjahr, wenn sich die Inflation voraussichtlich abschwächen dürfte, rechnen wir mit gemäßigteren Fed-Bremsmanövern als dies die Märkte heute einpreisen. Im Euroraum ist die EZB mit einer ähnlichen, wenn auch etwas akuteren Situation konfrontiert. Die Inflation im Euroraum blieb im April auf Rekordniveau, während das Wachstum in den wichtigsten Volkswirtschaften aufgrund der schwachen Stimmung und der zunehmenden Risiken für die Energiesicherheit ins Stocken gerät. Immer mehr Äusserungen aus EZB-Kreisen deuten aber mittlerweile auf ein Ende der Nettoanleihekäufe im Sommer und auf eine dann nahende erste EZB-Leitzinserhöhung hin, um der hohen Inflation entgegen zu wirken. Indes herrscht in Shanghai seit einem Monat eine strenge Abriegelung, und die chinesischen Behörden erwägen, auch Peking abzuriegeln. Jedenfalls wurden die Beschränkungen dort deutlich verschärft. Im Moment scheint kein Ende in Sicht zu sein, solange China nicht erfolgreich seinen eigenen mRNA-Impfstoff oder einen Omikron-spezifischen Impfstoff entwickelt und produziert. Zusätzliche und langwierige Abriegelungen setzen die chinesische Wirtschaft unter Druck, obwohl China ein zusätzliches Maßnahmenpaket zur Stützung seiner Wirtschaft auflegen dürfte. Die Lieferketten bleiben damit belastet, was in Verbindung mit den kriegsbedingt gestiegenen Energiepreisen die Gefahr birgt, dass der Welthandel und die Wirtschaftsaktivität in den kommenden Wochen leiden. Angesichts von nachlassenden Basiseffekten der Energieinflation dürfte die Gesamtinflation in den nächsten Quartalen allerdings nachlassen. In Deutschland hat sich im April das GfK-Konsumklima auf einen historischen Teifstand eingetrübt, nachdem der Einzelhandel bereits im März einen Umsatzrückgang verzeichnete. Und auch in den USA trübte sich das Verbrauchervertrauen ein - allerdings wesentlich weniger als hier zu Lande. Während in der Eurozone auch das breite Wirtschaftsvertrauen im April etwas Federn ließ, brach angesichts der verbreiteteren Omikron-Beschränkungen die Stimmung der chinesischen Einkaufsmanager speziell im Dienstleistungsbereich ein.
Der Krieg und die Folgen der coronabedingten China-Einschränkungen halten die Inflation jedenfalls hoch. Vorerst wird sie – insbesondere durch die direkten und indirekten energiebedingten Einflüsse auf die Verbraucherpreise – auch hoch bleiben. Während im Falle eines Ende des Krieges mit einer stärkeren Abschwächung der steigenden Preistrends zu rechnen ist, könnte auch ein anhaltender Krieg angesichts von Effekten aus dann sinkender Nachfrage zu einem Rückgang des Inflationstrends in der zweiten Jahreshälfte führen – ganz abgesehen von den voraussichtlich zusätzlich dämpfenden Basiseffekten. Die größten Risiken für das Abschwächungs-Szenario in Sachen Inflation sind ein kompletter Ausfall der russischen Gaslieferungen sowie langwierige Unterbrechungen der Lieferketten, wenn China seine Covid-Probleme nicht so schnell in den Griff bekommen sollte. Diese Woche steht neben den Entwicklungen in Sachen Russland und China vor allem im Zeichen der Notenbanken: Denn neben der US-Notenbank dürften auch weitere wie etwa die Bank of England bei ihren Sitzungen ihre Leitzinsen anheben. Während der 50-Basispunkte-Schritt der Fed als fast sicher gilt, richtet sich der Fokus in Washington auf Aussagen zur weiteren geldpolitischen Ausrichtungen der amerikanischen Währungshüter. Auch datenseitig werden die USA mit ihren „ISM“-Einkaufsmanagerberichten heute Nachmittag und am Mittwoch, morgen Auftragseingangszahlen und insbesondere dem April-Arbeitsmarktbericht am Freitag die Woche dominieren. In Deutschland stehen in der ersten Wochenhälfte Einzelhandelsumsatzzahlen sowie der Arbeitsmarktbericht für April auf der Agenda, bevor am Mittwoch die finale Handelsbilanz für März vorgelegt wird. In der zweiten Wochenhälfte dominieren bei uns dann Industriezahlen am Donnerstag zu den Aufträgen sowie am Freitag zur Produktion im März. Für den gesamten Euroraum stechen morgen die Produzentenpreise und Arbeitsmarktzahlen sowie am Mittwoch die Einzelhandelsdaten hervor. Zugleich bleibt die Quartalszahlensaison der Unternehmen in ihrer heißen Phase.
RELATIVE TAKTISCHE ASSET-ALLOKATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung sowie asiatische Hochzinsanleihen gegenüber niedrig verzinslichen Anleihen. Da die US-Märkte inzwischen eine klare Fed-Straffung einpreisen, haben wir kürzlich die Untergewichtung von US-Investmentgrade-Bonds reduziert, während wir die Untergewichtung von Euro-Staatsanleihen erhöht haben. Gold bleibt ein Kernbestandteil unserer Diversifizierungsstrategie.
Hier das vollständige PDF zum Herunterladen.