Wochensicht
Nachdem die Aktienmärkte die drei richtungsweisenden Sitzungen der wichtigsten westlichen Notenbanken binnen 24 Stunden in der Vorwoche gut verdaut hatten, belasten sie heute zwei Entwicklungen: 1. die Sorge vor weitreichenden Einschränkungen zur Eindämmung der sich abzeichnenden Omikron-Infektionswelle und 2. das mögliche Scheitern von Joe Bidens 1,75 Billionen US-Dollar US-Fiskalpaket "Build Back Better". Doch der Reihe nach: Während immer mehr europäische Länder wie die Niederlande mit ihrem neuen Lockdown im Lichte der sich teils rasant ausbreitenden Omikron-Virusvariante härtere Maßnahmen beschließen und die Bundesregierung außer Luxemburg alle deutschen Nachbarstaaten als Hochrisikogebiet und Großbritannien sogar zum Virusvariantengebiet erklärt hat, drohen auch Deutschland massivere Beschränkungen: Bereits morgen will der Bund mit den Länderchefs darüber beraten. Denn trotz aller medizinischen und Impf-Fortschritte zeichnet sich wegen der stärkeren Ansteckungsgefahr von Omikron zunehmend eine fünfte Infektionswelle ab, obwohl die Neuinfektionen hier zu Lande momentan noch sinken. Der zweite wesentliche Belastungsfaktor für die Finanzmärkte kommt aus den USA, wo der demokratische Senator Joe Manchin gestern äußerte, dass er das Sozial- und Infrastrukturpaket "Build Back Better" der Biden-Administration nicht unterstützen werde. Da die US-Regierung im Senat allerdings auf jede einzelne Stimme angewiesen ist, könnte dies zumindest in der geplanten Version das Aus für dieses Schlüsselprojekt Joe Bidens bedeuten. Damit würde mit Blick auf die Anfang November 2022 anstehenden "Midterm-Elections" der Gegenwind für Joe Biden noch größer werden, nachdem ihm schon der Inflationswind - die Rate erreichte im November 6,8% - entgegen bläst. Wenig überraschend hat die Fed auf die Inflationsentwicklung hin vergangene Woche mit einem beschleunigten Ausstieg aus den Netto-Anleihekäufen reagiert, die nun bereits Ende März 2022 und damit drei Monate früher als bisher geplant beendet werden sollen. Zudem deuten die Prognosen der Ratsmitglieder der US-Notenbank im Anschluss bereits für 2022 drei Leitzinsanhebungen und für 2023 ebenso viele an. Und die Bank of England, deren Netto-Anleihekäufe bereits diesen Monat auslaufen sollen, hob bereits jetzt den britischen Leitzins - wenn auch nur um 15 Basispunkte - auf 0.25% an.
Dagegen richtete sich die EZB am Donnerstag bei ihrer Sitzung für das kommende Jahr vergleichsweise verhalten aus: Sie stellt ihr Pandemienotfallprogramm wie avisiert Ende März ein, erhöht dann aber das Volumen ihres "Basis"-Anleihekaufprogramms: Damit sollen die Anleihekäufe schrittweise ab April von noch monatlich 40 Mrd. Euro bis Oktober auf 20 Mrd. Euro sinken - wobei sie schon angesichts der Coronarisiken flexibel bleiben will. Jedoch zeigen schon alleine ihre aktualisierten Prognosen, dass sie die Inflationsentwicklung mittlerweile auch deutlich ernster als bisher nimmt: Die EZB rechnet jetzt für 2022 mit 3,2% statt bisher 1,7% im Euroraum, bevor die Rate 2023/24 auf 1,8% und damit wieder in Richtung des mittelfristigen 2%-Ziels der Währungshüter sinken soll. Unterm Strich bedeuten die Entscheidungen aller drei genannten Notenbanken weniger geldpolitische Unterstützung nach vorne, allerdings ausgehend von einer ultralockeren monetären Politik. Zudem wurde heute morgen der voraussichtliche Nachfolger Jens Weidmanns an der Spitze der Bundesbank ab Januar bekannt: Es soll der als stabilitätsorientiert geltende Sozialdemokrat Joachim Nagel werden, den Olaf Scholz als Kandidaten vorgeschlagen hat. Vor diesen Entwicklungen traten die Konjunkturdaten der Vorwoche etwas in den Hintergrund: Die Einkaufsmanagerindizes trübten sich nicht nur in Deutschland vor allem im Dienstleistungsbereich ein, was angesichts der Virussorgen wenig überrascht - ähnliches war beim Ifo-Geschäftsklima zu beobachten. Und die deutschen Großhandels- und Produzentenpriese kletterten im November klar zweistellig und deuten damit vorerst anhaltenden Inflationsdruck nach oben an. In den USA hielten sich die Einkaufsmanagerindizes im Dezember noch besser, allerdings senden regionale Vorboten wie der Philadelphia-Index auch dort schon Eintrübungsanzeichen, nachdem sowohl die Industrie wie auch der Einzelhandel im November moderater als erwartet zugelegt hatten. Einzig die Immobilienmarktdaten überraschten klar positiv. Und Chinas Novemberzahlen zeigen zwar eine Stabilisierung des Industriewachstumstrends, dafür ließ die Dynamik im Einzelhandel im November nach.
Der Börsenjahrgang 2021 war für Aktien trotz der heutigen Korrektur ein Guter: Der DAX liegt heute Mittag immer noch um elf und der MDAX um zehn Prozent im Plus. Dank des anhaltenden Konjunkturaufschwungs stehen die Chancen für erneut positive Aktienmärkte für 2022 gut, auch wenn die Risiken nicht zu unterschätzen sind. Nach vorne lässt die geldpolitische Unterstützung zwar nach und die Pandemie ist natürlich weiterhin nicht überstanden. Dennoch dürften aus unserer Sicht 2022 einstellige Prozentzuwächse realistisch sein. An den Rentenmärkten erwarten wir ausgehend von den extrem niedrigen Niveaus aus leicht anziehende Renditetrends – welche den Aktienmärkten genügend Luft für eine positive Grundtendenz geben sollten. Wie das Handelsvolumen werden auch die Konjunkturdaten diese und nächste Woche weniger. Für Deutschland stehen diese Woche noch das GfK-Konsumklima und nach Weinachten Importpreise und Einzelhandelsumsätze auf der Agenda. Für den gesamten Euroraum werden morgen vor allem noch das Verbrauchervertrauen und kurz vor Sylvester Geldmengendaten publiziert. In den USA ist der für 2021 verbleibende Datenkalender voller: So stehen am Mittwoch die dritte Schätzung des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal und das Verbrauchervertrauen im Dezember sowie insbesondere noch eine Reihe von Immobilienmarktdaten vor dem Jahreswechsel an. In China richten sich die Blicke am 27. Dezember noch auf die Gewinne der Industrie sowie am Silvestertag auf die offiziellen Einkaufsmanagerindizes für Dezember. Wir wünschen allen unseren Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein hoffentlich erfolgreiches Anlagejahr 2022. Der nächste Blick über die Märkte erscheint am 10. Januar.
Relative Taktische Asset-Allokation
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa, Japan und den Schwellenländern. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite setzen wir besonders auf US-Staatspapiere, die zusammen mit unserer Goldpositionierung zur Diversifizierung von Portfolios beitragen. Darüber hinaus favorisieren wir bei den Zinspapieren unverändert Schwellenländeranleihen in Hartwährung sowie insbesondere asiatische währungsgesicherte Hochzinsanleihen. Neben Gold bleiben Immobilienfonds ein Bestandteil unserer Diversifizierungsstrategie.