Die Märkte schöpfen vor dieser wichtigen Woche wieder Hoffnung, nachdem in der Vorwoche vor allem eine Zahl Ängste vor kurzfristig noch höheren US-Leitzinsanhebungen geschürt hatte: 9,1%. Diese für den Juni höchste amerikanische Inflationszahl seit vier Jahrzehnten übertraf einmal mehr die Markterwartungen. Als Folge kursierte die Angst, dass die Fed bei ihrer am Mittwoch in einer Woche anstehenden Notenbanksitzung den US-Leitzins sogar um einen vollen Prozentpunkt anstatt der erwarteten, erneuten 75 Basispunkte anheben könnte. Allerdings haben schnell einige Äußerungen aus Fed-Kreisen dies relativiert. Schließlich sank die US-Kerninflation - wenn auch nur leicht - zum dritten Mal in Folge auf 5,9% und vor allem: Die gerade für die US-Inflationsberechnung wichtigen Ölpreise liegen mittlerweile um rund ein Fünftel unter dem Spitzenniveau des Vormonats. Da auch andere wichtige Rohstoffpreise angesichts der global kursierenden Rezessionsängste stark nachgegeben haben - der für Kupfer beispielsweise binnen eines Monats um rund ein Viertel - spricht nun viel dafür, dass der Gipfel der US-Inflation erreicht sein könnte. Dies gilt allerdings angesichts der anhaltenden kriegs- und sanktionsbedingten Energiesorgen insbesondere hinsichtlich Gas und Strom nicht für Europa und insbesondere nicht für Deutschland. Dass die politische Stabilität nach dem angekündigten Abgang des britischen Premierministers nun mit dem Rücktrittsgesuch von Italiens Stabilitätsgaranten Mario Draghi jetzt ein Thema wird, verursacht zunehmende Bedenken, wie die Ausweitung der Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen gegenüber Bundespapieren in der Vorwoche zeigt. Nachdem Italiens Staatspräsident Draghis Rücktrittsgesuch erst einmal abgelehnt hat, soll sich "Super-Mario" nun übermorgen vor dem Parlament in Rom erklären. Bisher hatte es Draghi geschafft, bei Bündnisproblemen in Gesprächen mit den Parteiführern diese wieder "einzufangen" - doch mittlerweile gelingt ihm dies offensichtlich nicht mehr, wie die letzte Woche verweigerte Zustimmung der 5-Sterne-Partei zu einem wichtigen Unterstützungspaket zeigte. Sollte sich der 74-jährige wirklich zurückziehen, dürften Italien zumindest erst einmal wieder unsicherere politische Zeiten - und möglicherweise Neuwahlen im Herbst - bevorstehen.
Auf Seiten der Konjunkturdaten überraschte hier zu Lande vor allem der noch größer als erwartete Pessimismus der Finanzexperten, wie er sich in den ZEW-Konjunkturerwartungen widerspiegelt. Das Institut führt den Stimmungseinbruch auf "die aktuell großen Sorgen über die Energieversorgung in Deutschland, den angekündigten Zinsanstieg der EZB sowie weitere coronabedingte Einschränkungen in China" zurück. Letztere sind zwar nicht mehr so weitreichend wie noch vor 2-3 Monaten, jedoch gibt es auch von dieser Seite noch keine Entwarnung in Sachen Lieferengpässen, zu denen zunehmende Streiks wie etwa an deutschen Häfen genauso wie teils hohe Personalausfälle angesichts vieler Covid-Infektionen beitragen. So klagt beispielsweise die Lufthansa über 30% abwesende Mitarbeiter, was neben Infektionen auch an der Urlaubszeit liegt. Dabei zeigen Industriedaten, dass die Produktion in Europa trotz der Lieferkettenprobleme weiterhin recht stabil läuft, was nicht zuletzt an hohen Auftragsbeständen liegt. In den USA bleibt die Konjunktur robuster, was in der Vorwoche hinsichtlich der wichtigen Konsumentenseite sowohl die besser als erwarteten Einzelhandelsumsätze im Juni als auch das wieder etwas optimistischere Michigan-Verbrauchervertrauen für den laufenden Monat zeigen. Und während in China das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal angesichts der weitreichenden Lockdowns in Schlüsselregionen wie Shanghai im April/Mai nur um minimale 0,4% über Vorjahr lag, zog die Aktivität im Juni wieder deutlich an, wie im Jahresvergleich um vier Prozent mehr Industrieproduktion und drei Prozent höhere Einzelhandelsumsätze zeigen. Damit bleibt aus unserer Sicht das Rezessionsrisiko für Europa inklusive Deutschlands klar höher als in den USA und insbesondere in China.
Eine historische Woche steht bevor: Endlich dürfte die EZB am Donnerstag ihren Leitzins nach elf Jahren wieder anheben. Damit bekommt der Euroraum zwar seinen offiziellen Zinswenden-Stempel, das aber nicht nur angesichts der sich immer mehr abzeichnenden Rezessionsgefahr wohl viel zu spät. Denn die Inflation war schon vor der Gas-Krise aus dem Ruder gelaufen. Wahrscheinlich wären bald Leitzinssenkungen der EZB angebracht, aber anders als die Fed hat sie sich bis jetzt dafür keinen Spielraum geschaffen. Anleger sollten sich angesichts der EZB-Sitzung, der Regierungskrise in Italien und dem ebenfalls für Donnerstag geplanten Ende der Nordstream I-Wartung auf eine volatile Woche einstellen – egal ob ab Freitag wieder Gas durch Europas wichtigste Pipeline fliest oder nicht. An Preisdaten stehen diese Woche morgen die finalen Inflationszahlen der Eurozone und am Mittwoch sowohl die deutschen wie die britischen Erzeugerpreise im Fokus – sie dürften im Juni beide auch angesichts der Dollar-Stärke weiter dynamisch gestiegen sein. In Großbritannien werden an diesem Tag zudem die Inflationsdaten für Juni publiziert. Im Mittelpunkt werden auch die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für Juli stehen, die am Freitag nicht nur für Europa, sondern auch für die USA sowie Japan kommen. Bereits am Mittwoch steht mit dem Verbrauchervertrauen im Euroraum ein weiteres wichtiges Sentiment-Barometer auf der Agenda. Auch in Asien kommen Inflationsdaten – und zwar in Japan am Freitag für Juni. Neben der Sitzung der Bank of Japan wird am Donnerstag die japanische Handelsbilanz publiziert, während in China keine Top-Daten auf der Agenda stehen. Ähnlich in den USA, wo neben den Einkaufsmanagerindizes lediglich diverse Immobilienmarktdaten und einige regionale Stimmungsindizes kommen. Allerdings nimmt die Quartalszahlen-Saison an der Wallstreet diese Woche Fahrt auf - es wird spannend, wie stark die Analysten ihre Gewinnerwartungen revidieren.
RELATIVE TAKTISVCHE ASSET-ALLOKATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der von uns unverändert untergewichteten Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios
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