Licht und Schatten in der vergangenen Börsenwoche. Russisches Gas fließt wieder Richtung Deutschland, wenn auch nur in Maßen, und die Unsicherheit bleibt. Die politische Diskussion über das Für und Wider einer vorübergehenden Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke zieht sich hin. Derweil sind – unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen – am vergangenen Freitag Vereinbarungen getroffen worden, ukrainische Getreideexporte wieder aufleben zu lassen. Gleichwohl kam es tags darauf zu erneuten Einschlägen im Schwarzmeerhafen von Odessa durch das russische Militär.
Italien bereitet sich derweil auf Parlamentswahlen Ende September vor, nachdem der ehemalige EZB-Chef und zuletzt als Italiens Regierungschef fungierende Mario Draghi zwei Misstrauensvoten verloren hat. Bis zur Bildung einer neuen Regierung werden sein Kabinett und er die Amtsgeschäfte noch fortführen, verkündete Präsident Mattarella am Donnerstagabend. Im Ergebnis steuert Italien aus heutiger Sicht wohl auf einen gehörigen politischen „Rechtsruck“ zu.
Auf ökonomischer Ebene ebenfalls keine positiven Nachrichten: vergangenen Freitag fiel der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Eurozone unter 50, was auf eine Rezession hindeutet. Der PMI fiel auch in den USA unter die Schwelle, die eine Expansion von der Kontraktion trennt, doch die Gesamtsituation sieht in der Eurozone schlechter aus. Der kommende Datenfluss wird wahrscheinlich für einige Zeit widersprüchlich bleiben. Das US-BIP-Wachstum war im ersten Quartal negativ, die Binnennachfrage verlief jedoch noch stabil.
Steigende Kosten in beiden Regionen und die wahrscheinliche Gasrationierung in der Eurozone drücken auf die privaten Einkommen. Wir erwarten, dass der Euroraum die nächsten drei Quartale in der Rezession verharren wird.
Der „Price-Cap“-Mechanismus für Energie im Vereinigten Königreich wird wohl auch dort die Stromrechnungen deutlich steigen lassen und in Kombination mit mehr Zinsschritten als ursprünglich angenommen eine Rezession über mindestens zwei Quartale auslösen. In beiden Fällen sind der Zeitpunkt und das Ausmaß der Rezession jedoch noch ungewiss. Auch die USA verlieren an Schwung, wie erwähnt, aber die Verlangsamung hängt hier vor allem mit der aktuellen Fed-Politik zusammen. Gegebenenfalls könnte die US-Zentralbank den Zinsstraffungszyklus verlangsamen bzw. komplett stoppen, oder sogar zu einer erneuten Lockerung übergehen, falls die Inflation im Land „runterkommen“ sollte. Weder die UK noch die Eurozone haben diesbezüglich viel Spielraum, zumal die EZB erst jüngst den ersten Zinsschritt getan hat. Mit 50 Basispunkten fiel der Zinsschritt allerdings größer aus als von vielen Marktteilnehmern erwartet.
Chinas "Wiedereröffnung" und die konjunkturellen Unterstützungsmaßnahmen der Regierung kurbeln das Wachstum im Land an und reduzieren die Wahrscheinlichkeit einer Rezession deutlich. Die Covid-Infektionen nehmen jedoch auch im Reich der Mitte weiter zu, sodass Lockdown-Risiken bis auf weiteres bestehen bleiben.
RELATIVE TAKTISCHE ASSET-ALLOKATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der von uns unverändert untergewichteten Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios.
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