Das erste Börsenhalbjahr 2022 ist vorüber – es war an den Aktienmärkten sehr schwach, wobei der US-Leitindex S&P 500 mit einem Fünftel so stark im Minus landete wie seit gut 50 Jahren nicht mehr in einem ersten Halbjahr. Wie zahlreiche andere Börsenbarometer sank auch der DAX um ein Fünftel. Während die meisten Aktien heute Vormittag einen sanften Erholungspfad einschlagen, stabilisieren sich die Renditen etwa von zehnjährigen Staatsanleihen nach ihren jüngsten Rückgängen auf unter 3,00% in den USA und unter 1,30% bei Bundesanleihen. Abgesehen von der in Kürze anlaufenden Quartalszahlensaison für das zweite Quartal bei angesichts bisher trotz aller Rezessionsängste immer noch recht stabilen Gewinnerwartungen steht weiterhin das Thema Inflation im Fokus der Märkte – wobei die jüngsten Kerninflationsdaten zumindest in den USA leichte Entspannungsanzeichen lieferten. Auf den ersten Blick könnte man dies auch für Deutschland angesichts des Rückgangs der Juni-Inflationsquote von 7,9% auf 7,6% meinen. Allerdings stecken dahinter primär die zeitlich auf nur drei Monate befristeten „9-Euro-Tickets“ für den öffentlichen Nahverkehr sowie die ebenfalls temporären staatlichen Zuschüsse zur Senkung der Spritpreise. Für den Euroraum sehen die Zahlen auch daher mit einem Anstieg von 8,1% auf 8,6% weniger rosig aus, wobei die spanische Inflation sogar auf zehn Prozent schnellte. Von Entwarnung kann daher in Europa noch keine Rede sein - zumal angesichts der Befürchtungen, dass Russland nach der anstehenden Wartung der wichtigen Gaspipeline Nordstream I ab 22. Juli kein Gas mehr über diesen Weg liefert, womit die Gas- und die Strompreise noch weiter steigen könnten. Während sich die Ölpreise etwas stabilisieren, kommen indes angesichts sinkender Nachfrage einige Metallpreise wie etwa für Kupfer deutlich unter Druck – und auch bei einigen Agrarpreisen gibt es zumindest etwas Entspannung.
Nachdem die teils rückläufigen Rohstoffpreise wohl überwiegend mit Anzeichen für sinkende Nachfrage zusammenhängen, wie sie zahlreiche Konjunkturdaten andeuten, sollten die Inflationstrends von dieser Seite zumindest etwas nachlassen, auch wenn dies noch dauern kann. So gab etwa das deutsche GfK-Konsumklima genauso wie das Wirtschaftsvertrauen im gesamten Euroraum weiter nach, und in den USA sanken sowohl das Verbrauchervertrauen als auch die Industriestimmung deutlich. Selbst die bisher recht positiv gestimmten Einkaufsmanager der US-Industrie sind jetzt so wenig optimistisch wie seit zwei Jahren nicht mehr, wobei nach noch guten Mai-Auftragseingangszahlen der Juni von deren Seite rückläufig bewertet wird. Und während in Asien Japans Industrie im Mai bereits spürbar weniger produziert hatte, blicken Chinas Einkaufsmanager jetzt wieder positiver nach vorne und sehen nach den jüngsten Beendigungen der Lockdowns in Shanghai im Industriebereich leichtes und in Dienstleistungssektoren wieder deutliches Wachstum. Allerdings gibt es in China weiterhin vereinzelt lokale Covid-Ausbrüche, womit die Unsicherheit über den weiteren Erfolg der „Null-Toleranz-Politik“ im Reich der Mitte und damit hinsichtlich einer weiteren Entspannung der globalen Lieferkettenproblematik bestehen bleibt.
Die Inflationszahlen bereiten nicht nur Bürgern und Unternehmen, sondern auch Börsianern zunehmend Sorgen. Über den Sommer dürfte die Inflation erst einmal sehr hoch bleiben. Abseits kaum zu prognostizierender Entwicklungen wie dem weiteren Corona- und Kriegsverlauf gibt es allerdings wie oben genannt von Seiten einiger Rohstoffpreise zumindest Anzeichen dafür, dass es ab Herbst zu einer leichten Entspannung kommt. Gerade in den USA könnte die Fed im Herbst etwas den Fuß von ihrem Zinsanhebungspedal nehmen, schließlich will sie letztendlich eine Rezession wenn möglich verhindern – mit Entspannungsanzeichen an der Inflationsfront könnte sie daher im späteren Jahresverlauf einen etwas gemäßigteren Kurs durchblicken lassen. Das wiederum könnte dann eine Erholung der Aktienmärkte einläuten. Diese Woche stehen in Deutschland morgen wie auch andernorts die finalen Einkaufsmanagerindizes für Juni, am Mittwoch Auftragseingänge wiederum für Mai sowie tags darauf noch die Industrieproduktion für den selben Monat auf der Agenda. Für den Euroraum insgesamt werden am Mittwoch die Einzelhandelsumsätze im Mai publiziert. In den USA kommen morgen die Mai-Auftragseingänge und am Mittwoch der „ISM“-Einkaufsmanagerbericht für den wichtigen Dienstleistungssektor sowie abends das Protokoll zur jüngsten Fed-Sitzung. Das eigentliche Highlight der US-Agenda ist aber der Arbeitsmarktbericht für Juni am Freitag. Und in China werden morgen noch ein wichtiger Dienstleistungs-Einkaufsmanagerindex sowie am Samstag Inflations- und Fabrikpreisdaten für den Juni veröffentlicht.
RELATIVE TAKTISVCHE ASSET-ALLOKATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung, nachdem wir unsere Übergewichtung von asiatischen Hochzinsanleihen gegenüber niedrig verzinslichen Anleihen beeendet haben, da die Ausfallerwartungen für asiatische Hochzinspapiere gestiegen sind und Chinas Lockerungsschritte nicht zu sinkenden Risikoaufschlägen geführt haben. Gold bleibt ein Kernbestandteil von Portfolios.
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