Wochensicht
Am Wochenende gab Gazprom bekannt, dass seine Gaslieferungen durch die Pipeline „Nord Stream 1“ nach Europa vollständig gestoppt wurden. Dadurch hat sich die Gaskrise in der EU abermals verschärft. Anstatt der geplanten dreitägigen Aussetzung der Lieferungen bleiben diese nun auf unbestimmte Zeit aus. Gleichzeitig sprachen sich einige Finanzminister der G7-Statten sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Preisobergrenzen bei Gas- bzw. Öllieferungen aus Russland aus. Russland kündigte indes an, Staaten, die einen solchen Preisdeckel einführen würden, nicht mehr mit den entsprechenden Rohstoffen zu beliefern. Hier zu Lande legte die Bundesregierung am Wochenende nach langen Verhandlungen ihr nächstes Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro vor. Es soll die hohen Energiekosten für die Bürger abfedern. Zur Finanzierung will die Regierung „Zufallsgewinne“ bei Energieunternehmen in zweistelliger Milliardenhöhe abschöpfen. Zum Wochenstart treffen sich unterdessen die "OPEC+"-Staaten, um über mögliche Anpassungen bei den Ölfördermengen zu diskutieren. Im Vorfeld war zu hören, dass vor allem Saudi Arabien angesichts des jüngsten Rückgangs beim Ölpreis eine Reduzierung der Fördermengen im Sinn hat. Das Hauptaugenmerk diese Woche wird jedoch auf dem Zinsentscheid der EZB liegen. Angesichts der Rekordinflation und den unvermittelt steigenden Energiepreisen dürfte die EZB höchstwahrscheinlich eine deutliche Leitzinserhöhung vornehmen. Wir halten eine Anhebung um 75 Basispunkte zur Dämpfung der Inflation und der Inflationserwartungen für wahrscheinlich, zumal dadurch auch das Problem der „importierten“ Inflation stärker angegangen werden würde. Andererseits könnte ein starker Anstieg der Zinssätze die Anleiherenditen und die Renditenaufschläge der Peripherieländer weiter nach oben treiben. Dies könnte die EZB dazu zwingen, ihr Instrument zur Bekämpfung der Fragmentierung schneller und in größerem Umfang als erwartet einzusetzen, was politisch umstritten sein könnte. Mit den Wahlen in Italien am 25. September steht diesbezüglich ein weiterer Risikofaktor im Raum.
Die US-Wirtschaft ist unseres Erachtens im Vergleich zur europäischen weiterhin widerstandsfähiger, mit Ausnahme vor allem der nachlassenden Dynamik am Wohnungsmarkt. Dies verdeutlichte ein Mal mehr der gute US-Arbeitsmarktbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde. Daraus ist ersichtlich, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen weiterhin gut funktioniert, wenn auch langsamer als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote stieg zwar auf 3,7 %, jedoch war dies vor allem auf die gestiegene Erwerbsquote zurückzuführen. Die höhere Erwerbsbeteiligung deutet darauf hin, dass sich die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt verringern könnten, wodurch sich die durch den Faktor Arbeit bedingte Inflation ihrem Höhepunkt genähert haben könnte. Der nächste Inflationsbericht am 13. September wird wahrscheinlich die wichtigste Information für die Entscheidung der Fed sein, ob sie ihre Leitzinsen bei der nächsten Sitzung am 21. September um 50 oder 75 Basispunkte anheben wird. Vergangene Woche kamen zudem erneut rekordhohe Inflationszahlen für den Euroraum. Nach vorläufigen Berechnungen lag die Inflationsrate im August bei 9,1%. Die Energiekosten legten gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 38% zu und waren erneut wichtigster Treiber. Die Nahrungsmittelpreise erhöhten sich um elf Prozent. Die Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel (Kerninflation) betrug 5,5%. Nach dem Wegfall des Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets dürfte die Inflation in Deutschland im September weiter zulegen.
Das wichtigste Ereignis dieser Woche ist die Zinsentscheidung der EZB am Donnerstag. In Deutschland stehen Auftrags- und Produktionszahlen der Industrie auf der Agenda. In den USA ist die wichtigste Datenveröffentlichung morgen die "ISM"-Einkaufsmanagerumfrage für das Dienstleistungsgewerbe für August. Wir gehen zwar davon aus, dass sie sich gegenüber dem starken Juli-Wert verschlechtern wird. Jedoch dürfte sie klar im Expansionsbereich bleiben. Dies sollte die Fed in ihrem entschlossenen Kampf gegen die Inflation bestärken. Für China ist es in Sachen Makrodaten eine interessante Woche. Nach der heutigen Veröffentlichung des fast stabilen "Caixin"-Dienstleistungs-Einkaufsmanagerindex für August stehen am Mittwoch die Handelsbilanz und die Devisenreserven sowie am Freitag Inflationszahlen an. Während die Inflation in China im Gegensatz zu anderen Teilen der Welt nach wie vor gedämpft ist, werden die Daten zur Handelsbilanz und zu den Währungsreserven angesichts der jüngsten Schwäche des Yuan von Interesse sein. Obwohl die People's Bank of China den Yuan im August offenbar abrutschen ließ, was sich positiv auf die Exporte auswirkt, könnte sie seit Ende August verstärkt ihre Reserven eingesetzt haben, um ihre Währung unter 7,00 Yuan je US-Dollar zu stabilisieren.
Relative Taktische Asset-Allkokation
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet, wobei wir Aktien insgesamt neutral gewichten. Angesichts der insbesondere in der Eurozone gestiegenen Rezessionsgefahren gewichten wir dabei Aktien aus dem Euroraum unter. Unsere übergewichteten Regionen bleiben die aus unserer Sicht insgesamt derzeit stabileren US-Aktien, und auch jene aus Schwellenländern gewichten wir weiterhin leicht über. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite bleiben wir ebenfalls insgesamt neutral aufgestellt. Wir favorisieren dabei weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung gegenüber niedrig verzinslichen europäischen Staatspapieren. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios.
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