Wochensicht
Vor allem auf Basis der US-Inflationsdaten vom vergangenen Dienstag sanken der amerikanische Leitzindex S&P 500 in der Vorwoche um 4,8 % und der technologielastige Nasdaq-Index sogar um 5,8 %. Dagegen hielten sich der DAX (-2,7 %) und der europaweite Stoxx 600 (-2,9 %) spürbar besser. Die Renditen für kurzfristige Anleihen kletterten beidseits des Atlantiks, wobei die Rendite für 2-jährige US-Staatsanleihen um 29 Basispunkte auf 3,87 % und die für Bundesanleihen auf 1,53 % (+21 Basispunkte) zulegten, was vor allem die wahrscheinlich weiter entschlossene Fed-Politik auslöste. Die US-Notenbank wird am Mittwoch zum dritten Mal in Folge ihre Leitzinsen unserer Meinung nach um nochmals 75 Basispunkte erhöhen. Auf Basis der in den USA im August angesichts weiter steigender Mieten und Dienstleistungspreise mit 6,3 % (Vormonat 5,9 %) höher ausgefallenen Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) rechnen die Märkte nun mit einem noch strafferen Fed-Kurs. Obwohl die US-Gesamtinflation dank gesunkener Energiekosten leicht auf 8,3 % nachgab, wird aktuell sogar eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts um 100 Basispunkte eingepreist. Daraufhin verzeichnete der S&P 500-Index am Dienstag mit -4,3 % seinen schwächsten Handelstag seit über zwei Jahren. Vorerst dürfte der anhaltend starke US-Arbeitsmarkt die Fed zwar weiter zu entschlossenen Bremsmanövern ermutigen. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sie die Konjunkturabschwächung auch in Amerika aber wohl dazu bewegen, etwas weniger bremsend zu agieren bzw. kommunizieren. Seit der ersten Zinserhöhung der Fed sind erst sechs Monate vergangen - wohl noch zu wenig Zeit, als dass die straffere Politik auf die Realwirtschaft durchschlägt. Mit einer Ausnahme: dem US-Immobilienmarkt, wo die Hypothekenzinsen stark gestiegen sind und die Nachfrage bereits bremsen. Nichts desto trotz sehen wir die amerikanische Konjunktur trotz der offensichtlichen Abkühlung als widerstandsfähig genug an, um das Europa drohende Schicksal einer möglicherweise tiefen Rezession zu verhindern. Daher sind nächstes Jahr aus unserer Sicht weniger Fed-Leitzinserhöhungen wahrscheinlich als heute am Markt erwartet.
In Europa bleibt das Gas-Thema Nummer eins - wobei die Gaspreise im Zuge von immer mehr gerade von Regierungsseiten angestoßener Einsparungsbemühungen wieder sinken. Dennoch deuten die meisten Konjunkturdaten auf eine sich abzeichnende Rezession hin, wie etwa stärker als erwartet abgestürzte ZEW-Konjunkturerwartungen. Bereits im Juli sank die Industrieproduktion im Euroraum um 2,3 % - und sie dürfte weiter Federn lassen, worauf nicht nur die sechs Monate in Folge gesunkenen deutschen Auftragseingänge hindeuten. Das Ifo-Institut geht darüber hinaus davon aus, dass die hohe Inflation den privaten Konsum in Deutschland abwürgen wird, weshalb es die deutsche Konjunktur vor einem harten Winter sieht. Die deutsche Inflationsrate wurde für August final mit 7,9 % bestätigt, wobei das Ifo-Institut für nächstes Jahr sogar einen Anstieg auf durchschnittlich 9,3 % (nach 8,1 % dieses Jahr) prognostiziert, was wir trotz des in den nächsten Monaten erst Mal noch zu erwartenden Anstiegs als zu hoch ansehen. In Großbritannien ging die Inflation im August auf immer noch schmerzhafte 9,9 % zurück. Auf dieser Basis wird die Bank of England bei ihrer Sitzung am Donnerstag ihren Leitzins wohl ein weiteres Mal um mindestens 50 Basispunkte anheben. Und in China, wo sich die Wirtschaftstätigkeit sowohl im Einzelhandel wie in der Industrie im August verbessert hat (Produktion im Jahresvergleich +4,2 % und Einzelhandelsumsätze +5,4 %) hat die Regierung weitere Stützungsmaßnahmen beschlossen, was unser Basisszenario eines allmählichen Aufschwungs in China stützt.
Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, seitdem die Notenbanken derart auf das Bremspedal getreten haben wie derzeit. Um die Folgen ihrer zu lange zu harmlosen Inflationseinschätzungen und damit zu expansiven Geldpolitik einzufangen, erhöhen die westlichen Zentralbanken ihre Leitzinsen weiter im Rekordtempo. Wir gehen dabei davon aus, dass die Fed weiter ganz klar den Ton angeben wird. Solange sie als Leithammel der westlichen Notenbanken ihren Leitzinsturbo nicht zügelt, wird auch die EZB – soweit es die Konjunktur im Euroraum erlaubt – ihre Zinsen wohl weiter anheben, auch um den Euro nicht noch weiter zu schwächen. Letztendlich geht damit der Wettlauf der Zentralbanken weiter. Die Bank of England hat wegen der royalen Trauerfeierlichkeiten ihre Sitzung um eine Woche auf Donnerstag verschoben und tagt damit nun am selben Tag wie die Bank of Japan. Damit stehen die Zentralbanken diese Woche im Fokus, wie auch die nächsten Sonntag anstehende italienische Parlamentswahl, bei der es auf einen Sieg des Mitte-Rechts Lagers hinauszulaufen scheint. In Sachen Konjunkturdaten werden die sowohl in Europa wie auch in den USA am Freitag anstehenden vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für den September wohl eine weitere Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität im Westen zeigen. Und während hier zu Lande morgen noch die Produzentenpreise für den August publiziert werden, richten sich die Blicke für den gesamten Euroraum am Donnerstag auf das rekordniedrige Verbrauchervertrauen im laufenden Monat. In den USA gehen wir davon aus, dass die diversen Immobiliendaten, die bis Mittwoch kommen, die dort angelaufene Abkühlung des Wohnimmobilienmarktes bestätigen. Während in Großbritannien das GfK-Verbrauchervertrauen für September am Freitag ansteht, sind in Asien Japans morgige Inflationszahlen für August das Makrodaten-Highlight.
Relative Taktische Asset-Allkokation
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet, wobei wir Aktien insgesamt (wie auch die drei anderen Anlageklassen, daher keine Balken in obiger Grafik) neutral gewichten. Angesichts der insbesondere in der Eurozone gestiegenen Rezessionsgefahren gewichten wir dabei Aktien aus dem Euroraum unter. Unsere übergewichteten Regionen bleiben die aus unserer Sicht insgesamt derzeit stabileren US-Aktien, und auch jene aus Schwellenländern gewichten wir weiterhin leicht über. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite bleiben wir ebenfalls insgesamt neutral aufgestellt. Wir favorisieren dabei weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung gegenüber niedrig verzinslichen europäischen Staatspapieren. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios.
Hier den kompletten Blick über die Märkte als PDF zum Herunterladen.