Wochensicht
Wie erwartet rückte der 20. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas das Land in den Fokus: Anstatt zukunftsweisender oder wirtschaftsfördernder Beschlüsse war aber alles auf die dritte Wahl Xi Jinpings zum damit de facto Staatspräsidenten auf Lebenszeit ausgerichtet. Allerdings wirkt die Machtdemonstration Xis etwa durch den medienwirksamen Hinauswurf seines Vorgängers oder durch die vollständige Besetzung des siebenköpfigen Führungsgremiums ausschließlich mit seinen Gefolgsleuten und der Verbannung eher auf Marktöffnung bedachten Stimmen besorgniserregend. Dies lässt sich heute am fast siebenprozentigem Minus des Hang Seng-Aktienindex und prozentual zweistelligen Kursverlusten von Aktien wie Alibaba oder Baidu ablesen. Dabei wuchs die chinesische Wirtschaftsleistung im dritten Quartal trotz aller anhaltenden Covid-Probleme mit 3,9 % gegenüber dem Vorjahresquartal stärker als erwartet. Im September enttäuschten allerdings die um nur 2,5 % gekletterten Einzelhandelsumsätze, während 6,3 % mehr Industrieproduktion über den Erwartungen ist. Jenseits von China erholte sich in der Vorwoche im Zuge der bisher besser als von vielen befürchteten Quartalszahlensaison besonders die Wall Street (S&P 500 +4,6 %), aber auch der DAX stieg trotz allem insbesondere mit der Energiekrise einhergehenden Gegenwind immerhin um +2,4 %. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in China ist in der Frage, ob Berlin dem Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Hafenbetreiber HHLA einen Riegel vorschiebt, mindestens ein weiteres Fragezeichen hinzugekommen. Anhaltende Inflationssorgen trieben die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen auf 2,4 % und für entsprechende US-Staatspapiere noch stärker auf 4,2 %. Und in Großbritannien gab die eigentlich noch frische Premierministerin Liz Truss dem auf ihren nicht nur fiskalpolitischen Schlingerkurs gewaltig gestiegenen Druck nach und kündigte ihren Rücktritt an. Nachdem Boris Johnson von einer Nachfolge-Kandidatur abgesehen hat, dürfte diese Woche am ehesten der frühere konservative Finanzminister Rishi Sunak der erste britische Premierminister mit Migrationshintergrund werden. Und in Italien ist die rechtsgerichtete Giorgia Meloni zur ersten Premierministerin Roms ernannt worden.
Heute Vormittag belegen die größtenteils noch etwas schwächer als befürchtet ausgefallenen europäischen Einkaufsmanagerindizes die rezessiven Trends - auffallend deutlich nun auch für die deutsche Industrie, die immer mehr mit der Energiekrise kämpft. Dass laut Ifo-Institut mittlerweile jedes vierte deutsche Unternehmen einen Arbeitsplatzabbau plant, verdeutlicht den Ernst der Lage. Die endgültige Inflationsrate für die Eurozone wurde minimal von 10,0 % auf 9,9 % revidiert, wovon 4,2 Prozentpunkte direkt auf die höheren Energiekosten zurückzuführen sind. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für die Eurozone wie auch für Deutschland haben sich zwar - entgegen dem Konsens - leicht erholt, allerdings auf weiterhin niedrigem Niveau. Und die deutschen Erzeugerpreise stiegen im September weiterhin um +45,8 % im Jahresvergleich, was unsere Ansicht bestätigt, dass die Inflation weder in Deutschland noch in der Eurozone bereits ihren Höhepunkt erreicht hat. Großbritanniens Inflationsrate sprang im September von 9,9 % auf 10,1 %. Und in den USA produzierte die Industrie vergangenen Monat wieder mehr als erwartet, während die jüngsten US-Daten eine weitere Abschwächung des Immobilienmarktes im Zuge der restriktiven Fed-Politik bestätigte. Und schließlich intervenierte in Japan, wo die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) erstmals seit 1991 drei Prozent erreichte, die Notenbank und stützte damit den Yen, der zuvor gegenüber dem US-Dollar auf ein 30-Jahrestief abgerutscht war.
Beim EU-Gipfel in Brüssel lagen am Donnerstag und Freitag viele Maßnahmen zur Bekämpfung der Gaskrise auf dem Tisch. Der angeregte temporäre dynamische Gaspreiskorridor mildert – genauso wie die anderen EU-Vorhaben – den Druck auf die EZB nicht wirklich. Ein echter Gaspreisdeckel wie er in Deutschland (jetzt vielleicht doch schon ab Januar anstatt wie bisher ab März 2023) geplant ist, scheint in Brüssel sowieso vom Tisch. Wir rechnen daher bei der EZB-Sitzung am kommenden Donnerstag nicht nur mit einem weiteren Leitzinsschritt um 75 Basispunkte auf dann 2,0 % - sondern auch mit einem weiter sehr entschlossenen Tonfall in Sachen einer anhaltend restriktiven Geldpolitik. Die EZB dürfte angesichts des sogar vorerst wohl noch zunehmenden Inflationsdrucks in der Eurozone gar nichts anderes übrig bleiben, als voll auf der Bremse zu bleiben. Jedoch dürfte sie Anfang 2023 angesichts der dann wohl klar sichtbaren Rezession dann etwas vorsichtiger agieren. Diese Woche kommen hier zu Lande morgen das deutsche Ifo-Geschäftsklima sowie am Donnerstag das GfK-Verbrauchervertrauen. Am Freitag schließen dann das vorläufige Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal sowie die vorläufigen Inflationszahlen für Oktober die Woche ab. Hinzu kommt am Freitag noch das Wirtschaftsvertrauen für den gesamten Euroraum. Auch in den USA ist der Datenkalender prall gefüllt: Neben zahlreichen Immobilienmarktdaten stehen morgen das Verbrauchervertrauen für Oktober auf der Agenda, am Donnerstag Auftragszahlen der Industrie sowie das Bruttoinlandsprodukt für das dritte Quartal und am Freitag noch Kerninflationsdaten. Und schließlich dürfte China seine eigentlich für letzten Dienstag angekündigten, dann aber verschobenen Zahlen zur Wirtschaftsleistung im dritten Quartal sowie zur Industrie- und Einzelhandelsaktivität im September diese Woche nachholen.
Relative Taktische Asset-Allkokation
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet, allerdings reduzierten wir zuletzt aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten und der sich aus unserer Sicht spürbar schwächeren Wachstums- und Gewinntrends zuletzt unser Aktienengagement von neutral auf untergewichten. Im Gegenzug parkten wir die frei werdenden Mittel als Liquidität im aus unserer Sicht erst einmal weiter starken US-Dollar, um sie dann, wenn sich Gelegenheiten bieten, wieder zu investieren. Unsere übergewichteten Regionen bleiben die unseres Erachtens insgesamt derzeit stabileren USA wie auch die Schwellenländer.
Auf der Rentenseite bleiben wir ebenfalls insgesamt neutral aufgestellt. Innerhalb der Anlageklasse favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung gegenüber niedrig verzinslichen europäischen Staatspapieren. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios.
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