Wochensicht
Die Märkte erlebten im November eine Jahresendrallye, bei der die meisten Anlageklassen nach einem größtenteils sehr schwierigen Jahr Gewinne verzeichneten. Diese bereits im Oktober gestartete Trendwende wurde durch eine Reihe von Faktoren begünstigt, darunter eine - vor allem in den USA - etwas nachlassende Inflation, Anzeichen für ein langsameres Tempo der Leitzinserhöhungen von Notenbankseite sowie eine teilweise Lockerung der Covid-Beschränkungen in China. Dort greifen aktuell in immer mehr Städten - unter anderem jetzt auch in Shanghai - einige kleinere Lockerungen. Ob damit die Börsen tatsächlich das Schlimmste überstanden haben, bleibt allerdings fraglich, zumal die Konjunkturperspektiven bescheiden bleiben. In der vergangenen Woche erholten sich Aktien und Anleihen im Gleichschritt. So zogen der europaweite Stoxx 600-Aktienindex um +0,6 % und der S&P 500 an der Wall Street um 1,1 % an - lediglich der DAX blieb fast genau auf Vorwochenniveau. Das wohl wichtigste Zitat für die Märkte kam in der Vorwoche von Fed-Chef Jerome Powell: "Die Zeit für eine Drosselung des Tempos der Leitzinsanhebungen könnte schon auf der Dezember-Sitzung kommen." Das war das bislang deutlichste Zeichen dafür, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger bereit sind, vom Bremspedal zu gehen. Einige seiner Kollegen wiesen anschließend noch darauf hin, dass ein Ende des Zinserhöhungszyklus noch nicht unmittelbar bevorstehe. Die anhaltende Abschwächung der Makrodaten deutet jedenfalls darauf hin, dass dies ein günstiger Zeitpunkt für die Fed sein könnte, etwas weniger restriktiv voranzuschreiten. Schließlich sind in den USA die Einkaufsmanagerindizes für den November gerade für das verarbeitende Gewerbe klar gefallen, der Inflationsdruck lässt nach und auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung. So sank im Oktober die Zahl der offenen Stellen. Der am Freitag vorgelegte Arbeitsmarktbericht für November beinhaltet allerdings mit 263.000 neuen Jobs mehr als erwartet, wobei die Stundenlöhne - ebenfalls überraschend - wieder etwas stärker anzogen. Dies ist zwar nicht der eindeutige Beweis für eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, den sich die Fed wohl erhofft hat. Dies sollte sie aber Mitte nächster Woche nicht von einer weiteren Leitzinsanhebung abhalten.
Auch im Euroraum sank die Inflationsrate im November - und zwar wie in Deutschland etwas mehr als erwartet auf 10,0 %. Allerdings sollte in diese Zahlen noch nicht automatisch eine Trendwende hineininterpretiert werden. Schließlich durfte der Hauptfaktor für den Rückgang - die Energiepreise - weiterhin spürbaren Schwankungen unterliegen, während die Lebensmittelinflation immer noch anzog. Immerhin hat die OPEC+ bei ihrem Treffen am Wochenende keine weitere Öl-Förderkürzung beschlossen. Abgesehen davon erweist sich die Kerninflation bei Waren und Dienstleistungen weiterhin als hartnäckig, was darauf hindeutet, dass ein Rückgang der Inflationsdaten im nächsten Jahr (möglicherweise ab dem späten 1. Quartal) nur allmählich erfolgen könnte. Darüber hinaus hält sich die Konjunktur in Europa allerdings besser als erwartet: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt für das dritte Quartal wurde aufgrund eines soliden privaten Verbrauches nach oben korrigiert. Wir rechnen jedoch weiterhin mit einer Verlangsamung, wie es auch das bisher - im Vergleich zu Black Friday-Zahlen aus den USA - eher flau angelaufene deutsche Weihnachtsgeschäft und der deutliche Rückgang der Einzelhandelsumsätze im Oktober andeuten. In China dreht sich derweil alles um eine andere Art von Politik, nämlich die Abkehr von der strikten 'Null-Toleranz-Politik' in Sachen Covid-19. Nach den zunehmenden sozialen Unruhen werden zwar zunehmend kleinere Lockerungen vorgenommen. Größere Öffnungen dürften jedoch - abhängig von den Infektionszahlen und der weiteren Virusentwicklung generell - auf sich warten lassen. Chinas Einkaufsmanagerindizes schrumpften aufgrund schwacher Inlands- und Exportnachfrage weiter, was wiederum zusätzliche Konjunkturmaßnahmen im ersten Quartal 2023 immer wahrscheinlicher macht.
Diese Woche wird es in Sachen Konjunkturdaten und wichtige Marktevents eher ruhig: Es ist sozusagen die Ruhe vor dem Sturm der Folgewoche. Dann ist angesichts der anstehenden US-Inflationszahlen, den zahlreichen Notenbanksitzungen inklusive Fed und EZB bis hin zum ersten EU-Gipfel mit der neuen italienischen Regierungschefin nochmal mit stärkerer Marktaktivität zu rechnen, bevor sich die Börsianer dann in den Weihnachtsurlaub verabschieden. Am meisten dürfte dabei das Fed-Wording auf Basis der US-Inflationsdaten den Börsen den Weg weisen – wir rechnen, wie bei der EZB, mit einer weiteren Leitzinsanhebung um allerdings ‚nur‘ noch 50 Basispunkte. Bei der EZB dürfte das Thema Bilanzabbau spannender werden. Diese Woche stehen aber in Deutschland morgen erst einmal die Auftragseingänge für Oktober sowie am Mittwoch die Industrieproduktion für denselben Monat auf der Agenda. In der Eurozone kommt am Mittwoch das finale Bruttoinlandsprodukt für das 3. Quartal. In den USA richten sich die Blicke heute Nachmittag auf die Auftragseingänge für Oktober sowie den wichtigen „ISM“-Einkaufsmanagerindex. Am Freitag kommen dort noch die Produzentenpreise für November sowie das vorläufige Michigan-Verbrauchervertrauen für Dezember. Und in China stehen am Mittwoch die Handelsbilanz für November sowie am Freitag die Inflations- und Produzentenpreisdaten für denselben Monat an.
Relative Taktische Asset-Allkokation
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer leicht untergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind.
Auf der Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung gegenüber niedrig verzinslichen Anleihen. Gold bleibt ein Kernbestandteil unserer Diversifizierungsstrategie. Unsere Übergewichtung von Liquidität wollen wir nutzen, sobald sich entsprechende Einstiegsmöglichkeiten anbieten.
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