Geringes Risiko einer erneuten Gaskrise im nächsten Winter

Geringes Risiko einer erneuten Gaskrise im nächsten Winter

Entgegen aller Befürchtungen ist es im vergangenen Jahr in Deutschland gelungen, Engpässe in der Gasversorgung zu vermeiden. Nicht zuletzt durch den teils drastischen Preisanstieg, aber auch begünstigt vom milden Winter, reduzierte sich die Gasnachfrage in Europa gegenüber dem Jahr 2021 um 11 Prozent.
Blitzlicht vom 12. Juli 2023

Entgegen aller Befürchtungen ist es im vergangenen Jahr in Deutschland gelungen, Engpässe in der Gasversorgung zu vermeiden. Nicht zuletzt durch den teils drastischen Preisanstieg, aber auch begünstigt vom milden Winter, reduzierte sich die Gasnachfrage in Europa gegenüber dem Jahr 2021 um 11 Prozent.

Gelingt es auch dieses Jahr, die Gasversorgung durchgehend sicherzustellen? Nachfrageseitig scheint die Industrie nach ihren Einsparungen im Vorjahr, abgesehen von Effekten der laufenden Konjunkturabschwächung, an Grenzen zu stoßen: Laut der „McKinsey Energy Insights European Gas Buyers Survey“ sagen 57 Prozent des verarbeitenden deutschen Gewerbes, dass sie nicht in der Lage sein würden, den Gasverbrauch weiter zu senken und gleichzeitig die Produktion in den nächsten zwei Jahren aufrechtzuerhalten.

Trotzdem glauben wir, dass es gute Gründe dafür gibt, dem nächsten Winter entspannt entgegen zu sehen:

• Das Sparverhalten gerade auch auf Seiten der privaten Haushalte ist gelernt und dürfte weitgehend anhalten.

• Auf Basis der heute in Deutschland zu 84 Prozent gefüllten Gasspeicher (2022 waren es zu dieser Zeit erst 65 Prozent) erscheinen weitgehend volle Gasspeicher bis zum Anfang der kalten Jahreszeit realistisch.

• Grundsätzlich konnten die aus Russland ausgefallenen Gasmengen primär durch Gasimporte – allen voran aus Norwegen, Algerien, Großbritannien, Belgien und den Niederlanden – sowie durch Flüssiggaslieferungen insbesondere aus den USA gut ausgeglichen werden.

Zwar kann ein erneut stärkerer Anstieg des sehr volatilen europäischen Gas-Benchmarkpreises TTF (in der Spitze im Sommer 2022 über 300 Euro/MWh und heute wie-der deutlich unter 30 Euro/MWh) nicht ausgeschlossen werden, allerdings sollten die Schwankungen wesentlich geringer ausfallen.

Unter dem Strich gibt es damit heute keinen Grund für eine erneute „Gaspreispanik“ oder Ähnliches – allerdings sollte die Entwicklung genau beobachtet werden. Denn selbst wenn es gelingen sollte, die Gasnachfrage noch einmal etwas zu reduzieren, wird das Gleichgewicht am Markt auch von Faktoren wie dem Wetter oder der Stabilität der LNG-Importe abhängen. Ein besonders kalter Winter bleibt – gerade wenn die Gasspeicher dann geringer als heute zu erwarten gefüllt sein sollten – ein Risiko. Und die Versorgung mit Flüssiggas hängt auch davon ab, wie sich die Nachfrage in Asien entwickeln wird. Deshalb gilt es, den Gasmarkt genau im Auge zu behalten.

Robert Greil, CFA

Chefstratege Merck Finck I A Quintet Private Bank

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