Mit der für heute Abend erwarteten Leitzinserhöhung sind die Erwartungen der Marktteilnehmer für weitere Erhöhungen noch lange nicht erfüllt. Nachdem die im August auf 6,3 Prozent gestiegene US-Kerninflation höher als erwartet ausgefallen ist, preisen die Märkte nun eine am Ende um 20-40 Basispunkte höhere Federal Funds Rate als bisher ein. Damit rechnen die Future-Märkte jetzt nicht nur für die heutige und die nächste Fed-Sitzung am 2. November jeweils mit Erhöhungen um 75 Basispunkte, sondern mit noch einmal 50 Punkten für die Dezember-Sitzung. Das bedeutet, dass der US-Leitzins bis zum Jahresende insgesamt um 200 weitere Basispunkte steigen soll, bevor die Gangart dann voraussichtlich im ersten Quartal moderater werden wird. Bereits für Mitte nächsten Jahres wird dann sogar schon eine erste Leitzzinssenkung in den USA eingepreist.
Wir gehen jedoch davon aus, dass die Fed nach ihrem heutigen Zinsschritt nicht mehr ganz so vehement fortfahren wird, wie es derzeit der Future-Markt impliziert. Denn wir rechnen in den kommenden Monaten vor allem mit einem spürbaren Rückgang der US-Inflation – und auch mit moderateren amerikanischen Konjunkturdaten. Das „Frontloading“, sprich vorgezogene größere Zinsschritte, auf das die Fed – ebenso wie die EZB – setzt, wird aus unserer Sicht auch tatsächlich zu später überschaubareren Erhöhungen führen.
Für die Finanzmärkte wird es darauf ankommen, die Signale rechtzeitig und richtig zu deuten, denn die Fed dürfte ihre derzeit mehr oder weniger „maximal bremsende“ Geldpolitik wie üblich zunächst nur verbal abmildern. Noch ist die Inflation für ein solches Signal zu hoch, weshalb die Fed-Kommunikation noch nicht am Wendepunkt ist. Dies könnte sich aber mit niedrigeren Inflationszahlen bereits im vierten Quartal ändern. Daher dürften sich aus unserer Sicht die Renditen von US-Staatsanleihen ihren Höchstständen nähern. Nächstes Jahr rechnen wir dann mit stabileren US-Zinstrends bei moderaterem Wachstum – sprich: Wir gehen in unserem Basisszenario nach wie vor, anders als für Europa, nicht von einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten aus.
Robert Greil, CFA,
Chefstratege MERCK FINCK I A QUINTET PRIVATE BANK