Es ist ein seltenes Ereignis, das viele Experten als schlechtes Omen werten: Erst zum zweiten Mal seit der deutschen Wiedervereinigung ist die Zinskurve bei Bundesanlei-hen invers. In der Vergangenheit war dies häufig ein Vorbote eines wirtschaftlichen Abschwungs.
Von einer inversen Zinskurve spricht man, wenn die Renditen länger laufender Anlei-hen, also etwa zehnjähriger Bundesanleihen, niedriger notieren als die Renditen kürzer laufender Anleihen, also beispielweise zweijähriger Bundesanleihen. Inverse Zinskurven signalisieren, dass Anleger trotz höherer kurzfristiger Zinsen vermehrt in länger laufende Anleihen investieren, weshalb die Nachfrage hier zunimmt und die Preise entsprechend steigen und damit die Renditen sinken. Dieses Anlegerverhalten zeigt, dass die Markteilnehmer mehrheitlich keine weiteren Zinssteigerungen erwar-ten, was in der Regel der Aussicht auf eine wirtschaftliche Rezession verbunden ist.
Aktuell scheint der Markt genau dieses Szenario einzupreisen. So liegen die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen mit 1,92 Prozent um 0,2 Prozentpunkte unter den Ren-diten für zweijährige Bundesanleihen. Wir gehen davon aus, dass sich diese Inversion sogar nochmals leicht ausweitet. Denn wir rechnen per Ende nächsten Jahres mit ei-ner Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe von 2,1 Prozent, während die EZB ihre Leitzinsen noch etwas weiter auf bis 3 Prozent hochfahren dürfte.
Vor der gegenwärtigen Situation invertierte die deutsche Zinskurve zuletzt im Novem-ber 1990. Damals für fast 2 Jahre und bis zu einer Differenz von 1,3 Prozentpunkten. 1990 bis 1992 war die inverse Zinskurve Vorbote der Rezession, die Deutschland dann im Jahr 1993 erfuhr.
Ist die invertierte Zinskurve damit zwangsläufig eine schlechte Nachricht? Nein, denn die inverse Zinskurve kann nicht nur als Vorbote einer Rezession gewertet werden, sondern auch als Anzeichen eines Wendepunktes bei der Inflation. In den USA haben wir in den vergangenen Monaten genau das beobachtet. Hier invertierte die Zinskurve bereits Anfang Juli dieses Jahres. Damit nahmen die Marktteilnehmer relativ präzise die vorläufige Wende der Inflationsentwicklung in den USA vorweg. Diese erreichte nämlich im Juni mit 9 Prozent ihren bisherigen Höhepunkt und ist nun seit 4 Monaten rückläufig (zuletzt 7,7 Prozent).
Die inverse Zinskurve könnte also diesmal eher ein Grund zum Aufatmen sein, vor al-lem für die inflationsgeplagten Verbraucher und industriellen Großeinkäufer. Denn eine vorübergehende Rezession ist für Wirtschaft und Bürger allemal besser zu ver-kraften als eine weiter anhaltend hohe Inflation.
Doch was bedeutet die inverse Zinskurve für Anleger? Mit Blick auf die von der Zins-situation angezeigten Rezessionsrisiken erscheint es ratsam, Risiken in Unterneh-mensanleihen, hauptsächlich Hochzinsanleihen, zu reduzieren. Denn aufgrund der sich abschwächenden Bonität einzelner Unternehmen und zu erwartenden Ratingher-abstufungen ist hier eine vorsichtigere Positionierung zu empfehlen.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Investition in langlaufende, sichere Anleihen. Denn sofern im Falle einer Rezession die langfristigen Zinsen aufgrund der Flucht in sichere Häfen tendenziell etwas sinken würden, könnten sie einen teilweisen Ausgleich zu sich schwächer entwickelnden Anlageklassen darstellen. Grund dafür ist, dass langlaufende Anleihen im Vergleich zu kürzeren stärker im Kurs steigen, wenn die Renditen fallen. Als Faustregel gilt, je kürzer die Laufzeit der Anleihen, desto geringer ist die Kursbewegung bei sich änderndem Zinsniveau.
Robin Beugels
Leiter Investment Management