Um Künstliche Intelligenz (KI) ist ein neuer Investment-Hype entstanden. Während die Hersteller von Halbleitern – am meisten Nvidia – davon profitieren, dass es schon zur Binsenweisheit geworden ist, wie im Goldrausch nicht in die Goldgräber, sondern in die Hersteller von Schaufeln zu investieren, ist die Wertschöpfungskette, die hinter den Chips steht, noch nicht im Fokus der Anleger.
Dabei erhöht gerade der Einsatz von Halbleitern im Hinblick auf KI deren Komplexität und damit die Anforderungen an das Design. Spezifikationen für bestimmte Anwendungen müssen bereits beim Entwurf von Chips berücksichtigt werden. Auch physikalische Aspekte, z.B. die die verschiedenen zum Einsatz kommenden Materialien miteinander harmonieren, müssen mitberücksichtigt werden. Vermehrt geht es auch um Designansätze, die eine Reduktion des Stromverbrauchs versprechen. Das ist das Spielfeld der EDA (Electronic Design Automation), der Software für das Design von Halbleitern.
In der EDA-Branche teilen sich de facto zwei Unternehmen den Markt auf. In einem quasi Duopol bieten die beiden US-Unternehmen Cadence und Synopsys umfassende Software- und Dienstleistungspakete an, die den gesamten Designzyklus von Halbleiterchips abdecken. Wettbewerber, wie etwa die Siemens-Tochter Mentor Graphics, spielen nur eine untergeordnete Rolle in diesem speziellen Markt.
Für die Halbleiter- und Elektronikindustrie entwickelt und lizenziert EDA die Tools, die den Entwurf, die Verifikation und die Simulation von integrierten Schaltkreisen (ICs) und System-on-Chip (SoC)-Lösungen verbessern. Durch solche hochautomatisierten und präzisen Designprozesse verkürzt sich die Produktentwicklung und reduzieren sich Entwicklungskosten. Besser als die Chiphersteller selbst sind diese Spezialisten in der Lage, durch kontinuierliche Innovation und Verbesserung ihrer Software die sich rasch wandelnden Anforderungen der Technologiebranche zu erfüllen. Die EDA-Werkzeuge von heute helfen dabei, die Chips von morgen zu entwerfen, die auf den Werkzeugen von morgen hergestellt werden, die sich beide noch in der Entwicklung befinden.
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Technologiezyklen heutzutage bewegen, erfordert Partnerschaften mit allen wichtigen Akteuren der Branche; dass ein einzelner Mega-Cap-Tech-Player in diesen Bereich einsteigt und sich vertikal integriert, wird dadurch unwahrscheinlicher. Die Komplexität dieses Marktsegmentes, kombiniert mit der Zeit, die benötigt wird, um die Anwendungssoftware zu erlernen, der iterativen Natur der Fortschritte und dem herausragenden Niveau der Forschung und Entwicklung, das erforderlich ist, um an der Spitze zu bleiben, schafft einen beträchtlichen wirtschaftlichen Burggraben um diese Unternehmen herum.
Die Duopol-Marktstruktur führt zu sehr gesunden Margen. Auch können die Unternehmen eine sehr beeindruckende Erfolgsbilanz vorweisen. Obwohl das Wachstum bereits in der Vergangenheit stark war, hat es sich in den letzten Jahren weiter beschleunigt. Im Schatten der Big-Techs wie Nvidia sind auch die Aktien etwa von Synopsys in den letzten zehn Jahren um über 1.400 % gestiegen. Somit sind auch diese Unternehmen – wie die meisten Aktien im Tech-Bereich – nicht mehr günstig bewertet. Wir erwarten jedoch einen langen und profitablen Wachstumspfad für die Unternehmen aus dem EDA-Bereich, der durch Megatrends im Zusammenhang mit der weltweit unersättlichen Nachfrage nach Rechenleistung, künstlicher Intelligenz und produktivitätssteigernden Tools untermauert wird.
Marc Decker
Co-Head of Direct Equities
Quintet Private Bank