Europäische Banken haben in den letzten Monaten eine ordentliche Kursentwicklung hingelegt. So entwickelte sich der breite europäische Bankenindex (MSCI Europe Banks Index) mit ca. 23% seit Jahresbeginn fast doppelt so gut wie der breite europäische Marktindex (STOXX 600) mit ca. 12%. Auch gegenüber seinem US-amerikanischen Pendant (MSCI US Banks Net Total Return Index) mit knapp +16% ergab sich eine beeindruckende – und eher seltene – Outperformance. Die beiden großen deutschen Banken, Commerzbank und Deutsche Bank, entwickelten sich in diesem Zeitraum noch besser mit ca. +32% bzw. ca. +28%. Unter den großen europäischen Banken stechen dieses Jahr vor allem italienische Institute hervor, so liegt UniCredit mit einem Kursplus seit Jahresbeginn von knapp 54% an der Spitze der Vergleichslisten.
Die positive Entwicklung der jüngeren Zeit täuscht aber nicht darüber hinweg, dass gerade die deutschen Großbanken auf eine verlorene Dekade zurückblicken. So konnte sich der Kurs des US-amerikanischen Branchenprimus JPMorgan seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 um beeindruckende 700% steigern. In Europa zeigt sich hier ein heterogeneres Bild: BNP als französischer Branchenprimus konnte seinen Aktienkurs seither mehr als verdoppeln. Auch die Banco Santander konnte im gleichen Zeitraum um gut 30% zulegen. UniCredit als italienische Großbank liegt immer noch mit fast 50% unter Wasser. Aber die rote Laterne halten die deutschen Institute, mit knapp -53% bei der Deutschen Bank und knapp -84% bei der Commerzbank.
Aber warum schlugen sich ausgerechnet die deutschen Banken relativ gesehen so schlecht? Seit der großen Finanzkrise ab 2008 haben die deutschen Institute mit (Not)fusionen, ihren Kreditbüchern, der strukturellen Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle und Rentabilitätsdefiziten zu kämpfen gehabt. Auch die relativen Wettbewerbspositionen konnten aufgrund der Granularität des deutschen Heimatmarktes kaum adäquat verbessert werden.
Jahrelange Umbauarbeiten, Konzentration auf profitablere Geschäftsbereiche, Kostenreduktion, Anpassung der Kreditbücher und Effizienzsteigerungen zahlen sich nun aber aus und schlagen sich positiv in den Aktienkursen und Analysteneinschätzungen nieder. Das relativ hohe Zinsniveau der letzten zwei Jahre war zusätzlich einer der Schlüsselfaktoren, warum Banken wieder als attraktives Investment erachtet wurden. Dieser Rückenwind ist vorwärtsblickend jedoch wieder abnehmend, da die größten positiven Entwicklungen beim Zinsergebnis nun bereits erfolgt sein sollten. Ein positives Momentum bleibt jedoch erhalten. Nichtsdestotrotz holen immer wieder Altlasten die Institute ein.
Wir erachten den europäischen Finanzsektor, und hier Banken- und Versicherungsaktien, für die nächsten Monate weiterhin als Wachstumstreiber innerhalb des europäischen Aktienmarkts. Der Grund hierfür liegt in aufkommenden M&A-Phantasien, aber auch fundamental in der guten Ertragssituation im Rahmen des Zinsgeschäftes. Auch scheinen die Risikokosten auf niedrigen Niveaus zu verharren und die Kreditbücher relativ unbelastet und die Bewertungen attraktiv. Das Argument der relativen Attraktivität gegenüber anderen Sektoren ist nicht neu und hatte sich in den Jahren seit der Finanzkrise auch nicht materialisiert, aber aufgrund der diesmal besseren Ausgangslage vieler Institute spricht dieses Mal noch mehr für eine weitere positive Kursentwicklung. Für Institute die mehr auf Immobilienfinanzierungen spezialisiert sind, und hier vor allem auf Büroimmobilien (auch in den USA), sieht die Einschätzung negativer aus. Die „Green Shoots“, also die ersten positiven Entwicklungen auf der makroökonomischen Seite in Europa, sollten darüber hinaus unterstützend für den europäischen Finanzsektor wirken. Auf Einzelaktienebene wird sich im europäischen Bankensektor aber noch die Spreu vom Weizen trennen.
Marc Decker
Co-Head of Direct Equities
Quintet Private Bank