Mit Beginn der Berichtssaison für das zweite Quartal 2022 zeigt sich, dass die Banken heftigem Gegenwind ausgesetzt sind. Traditionell gehören die US-amerikanischen Großbanken mit zu den ersten Unternehmen, die ihre Geschäftsergebnisse für das abgelaufene Quartal veröffentlichen. Stand 19.07.2022 haben 26% der US-Finanzfirmen des S&P 500 und 17% der Finanzinstitute aus dem EuroStoxx 600 bisher berichtet. Die Quartalsergebnisse von US-Banken wie Goldman Sachs, JP Morgan, Citigroup und Morgan Stanley sowie von europäischen Instituten wie der DNB Bank muss man wohl als „Mixed Bag“, zu Deutsch etwa als durchwachsen, bezeichnen. Abgesehen von firmenspezifischen Unterschieden im Management der einzelnen Banken und den sich daraus auch ergebenden Ertragsunterschieden, meldeten zwar alle teils deutliche Verbesserungen beim Nettozinsergebnis. Dies erklärt sich durchweg durch das gestiegene Zinsniveau.
Wir glauben jedoch nicht, dass ein Mehrertrag aus dem Zinsüberschuss nachhaltig zur Steigerung des Gesamtergebnisses beitragen wird. Normalerweise steigen Zinsniveaus in Boomphasen. In solchen Phasen werden in der Regel die Erträge nicht von hohen Kreditausfällen geschmälert; im Gegenteil: Es können meist auch weitere Pro-visionserträge aus Handels- oder M&A-Aktivitäten generiert werden.
Derzeit bewegen wir uns makroökonomisch jedoch tendenziell auf ein eher rezessives Umfeld zu. Dadurch steigt auf der anderen Seite wieder die Notwendigkeit von Rück-stellungen für mögliche Kreditverluste, die sich negativ auf die Bankergebnisse aus-wirken. Hinzu kommt, dass gerade in den USA über die letzten neun Monate eine Verflachung der Zinsstrukturkurve zu beobachten war, so dass die Erträge aus dem Geschäftsmodell der Fristentransformation von Banken, niedriger ausfallen, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Fakt ist, dass wir in den USA derzeit sogar eine inverse Zinsstrukturkurve vorfinden. Und im Investmentbanking scheinen im Moment auch nur noch die wirklich zwingenden Transaktionen zu laufen.
Weiteres Ungemach droht den Banken aus Richtung der Regulatorik: So kündigte die spanische Regierung letzte Woche an, dass für die nächsten zwei Jahre eine neue Steuerabgabe für Banken geplant ist, mit der rund drei Mrd. Euro eingenommen wer-den sollen. Spätestens seit der Lehman-Pleite sieht sich der Bankensektor vor allem in Europa mit verschärften Regulierungen konfrontiert, die zum Teil drakonische Ausmaße angenommen haben. So wurde den Banken in Europa zu Beginn der Covid-Pandemie ein Verbot von Dividendenausschüttungen auferlegt, um die Krisenfestigkeit des Sektors zu gewährleisten. Kaum hat sich der zuvor arg gebeutelte europäische Bankensektor dank des Zinsanstiegs wieder erholt, soll jetzt zumindest ein Teil des höheren Zinsergebnisses wieder abgeschöpft werden.
Nach ersten Erkenntnissen soll die Steuer auf in Spanien erwirtschaftete Erträge er-hoben werden. Die Auswirkungen auf international tätige Bankengruppen wie BBVA oder Banco Santander dürften einigermaßen überschaubar sein. Dennoch stellt sich unweigerlich die Frage, ob dieser Ansatz der spanischen Regierung auf andere europäische Länder übertragbar ist, was keine guten Nachrichten für den Bankensektor in Europa sind. Ohnehin bewegen sich Banken in einem durchaus fragmentierten Markt und werden mit steigenden Kosten und strukturell mit zunehmender Konkurrenz aus dem digitalen Bereich konfrontiert.
Sollten sich also die wirtschaftlichen Aussichten weiter eintrüben, wird es der Banken-sektor sein, der aufgrund seiner hohen Korrelation zu den wirtschaftlichen Aktivitäten überproportional darunter zu leiden hat. Hinzu kommt, dass eine bislang wichtige Unterstützung für die Kurse – nämlich die vor allem in den USA beliebten Aktienrück-käufe – zunehmend reduziert oder gar ausgesetzt werden. Das wirkt sich negativ auf die Attraktivität der Branche aus. Eine Erhöhung eines Engagements sollte daher wohlüberlegt und die Geschäfts- als auch Konkurrenzsituation des jeweiligen Finan-zinstitutes gut verstanden und analysiert sein.
Marc Decker
Stellvertretender Leiter Aktien bei Quintet Private Bank,
Muttergesellschaft von Merck Finck