Energiemärkte im Aufruhr: Würde ein Öl-Embargo gegen Russland für Deutschland bedeuten?

Energiemärkte im Aufruhr: Würde ein Öl-Embargo gegen Russland für Deutschland bedeuten?

Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sorgen weiterhin für Turbulenzen an den Energiemärkten.

Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sorgen weiterhin für Turbulenzen an den Energiemärkten. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich bereits darauf geeinigt, aus der russischen Kohle auszusteigen. Als Nächstes könnte der Ausstieg aus russischem Öl erfolgen, wie die Diskussionen über ein mögliches Embargo zeigen. Sollte ein solches Öl-Embargo allerdings wie angedacht tatsächlich erst zum Jahresende anvisiert werden, dürften die Folgen für die deutsche Wirtschaft verkraftbar sein. Schließlich hat sie dann erstens wohl genügend Zeit, sich darauf ein-zustellen – und zweitens könnte der Krieg bis dahin auch vorbei sein und damit solche Sanktionen möglicherweise auch gar nicht in Kraft treten. Für Europa sind russische Öllieferungen zudem recht gut durch andere Lieferanten ersetzbar. Derweil dürfte der Ölpreis aus unserer Sicht bis Jahresende in Richtung 95 US-Dollar je Barrel der Sorte Brent und damit unter die 100-Dollar-Marke sinken.

Ein Öl-Embargo wäre damit für die deutsche Wirtschaft wie auch für Europa insgesamt zu bewältigen. Europa verfügt – anders als bei Erdgas, das hauptsächlich aus Russland kommt – über einen breiten Korb an Öllieferanten. Außerdem dürfte angesichts des derzeit hohen Preisniveaus im Jahresverlauf die Versorgung aus dem US-Fracking-Sektor wieder zunehmen. Und die OPEC+ könnte am morgigen Donners-tag eine weitere leichte Ausweitung ihrer Fördermenge beschließen. Zugleich wirkt sich bereits die Erwartung sinkender Nachfrage – zum Beispiel aus China – dämpfend auf den Ölpreis aus. Mit der wahrscheinlichen Verlangsamung der Weltkonjunktur im weiteren Jahresverlauf dürfte letztendlich auch die Ölnachfrage etwas abnehmen.

Zwar könnten der Beschluss eines Embargos und andere Unsicherheiten den Ölpreis aus unserer Sicht kurzzeitig nochmals in Richtung 130 US-Dollar treiben, doch am Jahresende sehen wir den Ölpreis wieder verstärkt auf fundamentaler Basis bewertet unterhalb von 100 US-Dollar. Dies würde dann zusätzlich zu den Basiseffekten die Energiepreisinflation dämpfen.

Während die Diskussionen über ein Öl-Embargo derzeit im Fokus stehen, liegt das Ende von Gasimporten aus Russland aus unserer Sicht in weiterer Ferne – zumal es am schwierigsten umsetzbar ist. Zu groß ist der Anteil Russlands speziell an den europäischen Gasimporten. Entsprechend ist bei Gas – anders als beim Öl – weiter-hin mit volatilen und möglicherweise weiter steigenden Preisen zu rechnen.

Auf lange Sicht steht eine Abkehr vom russischen Gas jedoch oben auf der politischen Agenda. Diese bedeutet nicht nur negative Folgen in Gestalt höherer Gaspreise, sondern sollte auch positive Wirkungen haben. Der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur – zum Beispiel Flüssiggasterminals für Importe auf dem Seeweg – bedeutet dauerhaft hohe Investitionen auf der Angebotsseite der Wirtschaft. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich voraussichtlich weiter beschleunigen und einen positiven Effekt auf das Wachstum haben.

Robert Greil, CFA,
Chefstratege MERCK FINCK I A QUINTET PRIVATE BANK

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