Die Fed hat gestern die erwartete Leitzinserhöhung um einen Viertelprozentpunkt (statt zuvor 50 Basispunkte) vorgenommen und ist damit dem Ende des US-Zinserhöhungszyklus einen Schritt näher gekommen. Dennoch gehen wir davon aus, dass sich der Leitzins im zweiten Quartal noch auf knapp über 5 % bewegen wird (von derzeit 4,50-4,75 %), wie wir es in unserem Counterpoint 2023 Investmentausblick ausgeführt haben. Vor dem Hintergrund attraktiver Renditen sowie gipfelnder Leitzinsen und Inflation bevorzugen wir weiter hochwertige festverzinsliche Wertpapiere. Die EZB und die Bank of England dürften bei ihren Sitzungen heute an ihren Leitzinserhöhungen um 50 Basispunkte festhalten, unter anderem weil die Kerninflation hartnäckiger ist als erwartet. Die Märkte erholten sich nach der relativ zurückhaltenden Pressekonferenz des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell. Der S&P 500 stieg um 1,05 %, die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sanken um 8 Basispunkte und heute Vormittag handeln Europas Aktienmärkte leicht höher, die Bundrenditen geben leicht nach und der Euro steigt zum US-Dollar auf 1,10.
Langsam von der Bremse
Die US-Konjunkturdaten haben in den letzten Wochen positiv überrascht, was darauf hindeutet, dass die von der US-Notenbank herbeigeführte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen allmählich auf die Realwirtschaft durchschlägt. Da sich Amerikas Inflation in die richtige Richtung bewegt ist es daher angemessen, dass die Fed das Tempo der Leitzinserhöhungen verlangsamt. Die anhaltende Anspannung auf dem Arbeitsmarkt – die sich in Lohnzuwächsen widerspiegelt, die nach wie vor weit über dem Niveau liegen, das mit dem Inflationsziel der Fed vereinbar ist – bedeutet jedoch, dass es zu früh ist, den Sieg in Sachen Inflation zu verkünden. Da das Tempo der Zinserhöhungen nun bei nur noch 25 Basispunkten liegt, wird sich die Aufmerksamkeit der Anleger wohl auf die Anzahl der noch kommenden Zinserhöhungen richten. Die Interpretation der Pressekonferenz durch den Markt war sehr positiv, da Fed-Chef Powell auf die zunehmende Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung hindeutete. Die Datenabhängigkeit der Fed lässt jedoch weiterhin ein hohes Maß an Unsicherheit für die Zukunft vermuten.
Märkte divergieren von der Fed
Die Anleihemärkte kämpfen immer noch gegen die Aussage der Fed, dass die Zinsen länger steigen werden. Sowohl die Renditen am kurzen als auch am langen Ende liegen um 50 bis 70 Basispunkte unter ihren jüngsten Höchstständen, während die für die Zukunft erwarteten Hochs der US-Leitzinsen weiterhin unter 5 % liegen, was vor allem auf die verbesserten Inflationsdaten zurückzuführen ist. Die Märkte rechnen auch weiterhin mit Zinssenkungen von fast 50 Basispunkten in der zweiten Jahreshälfte. Solange es nicht zu einer ausgeprägteren Rezession als sie derzeit zu erwarten ist kommt, halten wir eine solche Prognose für zu optimistisch. Dies könnte zu einem vorübergehenden Aufwärtsdruck auf die Renditen führen (da die Märkte die Wachstumsaussichten neu bewerten), obwohl eine moderatere Konjunktur und ein deutlich verbessertes Inflationsbild dazu beitragen dürften, dass die US-Renditen das Jahr niedriger beenden. Wir halten daher an unserer taktischen Position in US-Staatsan-leihen fest, die in risikoarmen Märkten zusätzlich Diversifizierungsvorteile bieten.
Heute tagen die EZB und die Bank of England
Im weiteren Verlauf des Tages werden die Märkte zwei weitere Entscheidungen von Zentralbanken zu verdauen haben. Wie in den USA scheint die Gesamtinflation im Euroraum ihren Höhepunkt erreicht zu haben, wobei der Rückgang der Energiepreise die treibende Kraft ist. Anders als auf der anderen Seite des Atlantiks bleibt der zugrunde liegende Preisdruck allerdings hartnäckiger und wird voraussichtlich erst ab dem zweiten Quartal deutlicher zurückgehen. Folglich hat die EZB den Erwartungen einer raschen Verlangsamung der Zinserhöhungen auf 25 Basispunkte widersprochen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung einer Anhebung um 50 Basispunkte im Laufe des heutigen Tages und auch auf der nächsten Sitzung Mitte März. Das gespaltene Abstimmungsverhalten des geldpolitischen Ausschusses könnte darauf hindeuten, wie nahe die Bank of England angesichts der Anzeichen einer nachlassenden Konjunkturdynamik an einem expansiveren Kurs ist. Auch die zunehmenden britischen Rezessionsrisiken dürften die Bank of England in den kommenden Monaten zu einer Zinspause bewegen. Wir – genauso wie der Markt – gehen heute von einer Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte aus, wobei der weitere Weg weniger klar und für die Wirtschaft und die Märkte von größerer Bedeutung ist.