Dass die Bundesbürger nach der Bundestagswahl an der Zapfsäule tiefer in die Tasche greifen müssen, gilt als sicher. Alle großen Parteien wollen die Preise für Benzin und Diesel künftig erhöhen. Aber bereits in diesem Sommer wird der Spritpreis voraussichtlich weiter steigen. Gegenwärtig sind für einen Liter Super-Benzin im Durchschnitt über 1,50 Euro zu zahlen. Dabei wird es nicht bleiben.
Geschuldet ist dieser Preisauftrieb, der sich auch auf die Gesamtinflation auswirken wird, der Verteuerung des Rohöls an den Weltmärkten. Im Juni sprang der Preis für ein Barrel der Sorte Brent über 70 US-Dollar. Derzeit liegt und er bei knapp 74 US-Dollar. Und er wird weiter steigen. Für das Ende des Jahres sehen wir ihn bei 80 US-Dollar je Barrel.
Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Mit der verbreiteten Aufhebung bzw. Lockerung von Corona-Restriktionen zieht die Ölnachfrage nicht nur beim Güterverkehr, sondern auch in der Reisebranche wieder an – und zwar sowohl in den USA, in Europa wie auch in Asien. Auch die sich erholende Weltwirtschaft leistet ihren Beitrag. Auch in Indien dürfte sich nach dem Abklingen der Pandemie eine stärkere Wirtschaftsdynamik mit einer wesentlich höheren Ölnachfrage entfalten.
Nachholeffekte spielen ebenfalls eine große Rolle. Sie sorgen dafür, dass eine deutlich steigende Nachfrage auf ein insgesamt unzureichendes Angebot trifft. Die begrenzten Lieferkapazitäten sind unter anderem auf die Förderdisziplin der OPEC-Staaten, aber auch durch die immer noch überschaubare Schieferölproduktion zurückzuführen. Hinzu kommt, dass angesichts des Ausgangs der iranischen Präsidentenwahl das politische Risiko von neuen US-Sanktionen den Ölpreis weiter in die Höhe treiben könnte.
Vor diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, dass der Ölpreis weiteres Potenzial nach oben hat. Damit steht er im Gegensatz zu andern Rohstoffen wie etwa Industriemetallen, deren Preise zuletzt von Versorgungsengpässen eher über Gebühr getrieben waren.
Robert Greil, Chefstratege
MERCK FINCK
A QUINTET PRIVATE BANK