Wer beim Online-Shopping bezahlt, erlebt hautnah, was für eine Revolution der Markt für Bezahlverfahren erlebt hat. Vor kaum mehr als einer Dekade waren es neben der klassischen Überweisung vielleicht noch die Kreditkarte und der Bankeinzug, die den Standard bildeten. Inzwischen bietet der sogenannte ‚Check-Out‘ am Ende eines Bestellvorganges, wenn die Bezahlungsmodalitäten ausgewählt werden, heute deutlich heterogenere Möglichkeiten als noch vor zehn bis 15 Jahren. Und nun steht eine mögliche neue Welle an Innovationen vor der Tür, die den Payment-Markt umkrempeln könnten – mit noch ungewissen Folgen für die Investoren der Unternehmen.
Gerade in Deutschland hat sich die ehemalige Ebay-Tochter PayPal neben den Kreditkartenfirmen als Schwergewicht etabliert. Der schwedische Wettbewerber Klarna zählt ebenfalls zu den inzwischen sehr bekannten Anbietern, die aus Sicht vieler Endverbraucher erst seit wenigen Jahren eine veritable Alternative zu den klassischen Möglichkeiten bieten. Neben dem Versprechen einer größeren Einfachheit haben neue Bezahlverfahren auch ganz neue Transaktionsformen ermöglicht. Beispielsweise sind Person-to-Person-Transaktionen (P2P) inzwischen weit verbreitet und kreditfinanzierte Einkäufe – das so genannte Buy Now, Pay Later – sind stark im Aufschwung. Neben der Erhöhung der Effizienz für Anbieter und Verbraucher dienen die neuen Lösungen den Anbietern auch dazu, neue Ertragspools zu erschließen.
PayPal tat sich hier schon früh im E-Commerce-Zeitalter als Pionier hervor und baute sich ein robustes Netzwerk aus Händlern und Verbrauchern auf und sicherte sich so eine wettbewerbsfähige Marktposition. Das Wachstum des Unternehmens wurde in der Vergangenheit durch die Umstellung auf elektronische Zahlungen und den Aufstieg des E-Commerce vorangetrieben, Trends, die durch die COVID-19-Pandemie noch einmal beschleunigt wurden.
Da die Auswirkungen der Pandemie jedoch nachlassen und neue Wettbewerber auftauchen, steht auch PayPal vor Herausforderungen für sein Umsatzwachstum. PayPal hat sich über Jahre hinweg als vertrauenswürdige Zahlungsmethode, um E-Commerce-Zahlungen zu ermöglichen, etabliert. Der Wettbewerbsvorsprung ist durch die zunehmende Konkurrenz durch innovative Zahlverfahren und neue Marktteilnehmer jedoch zusammengeschmolzen. Um diesem Druck zu begegnen, wird bei PayPal der Fokus vermehrt auf Kostenkontrolle und Produktinnovation gelegt.
Der Konkurrenzdruck wird beispielsweise in Deutschland durch die neue Bezahlsystemplattform „Wero“ spürbar, wenn auch mit ungewisser Aussicht auf Erfolg. Bei Produktinnovationen kommt der Angriff nun auch von „X“ und zuletzt von „Meta“, welches über den Messenger-Dienst „WhatsApp“ eine zentrale App für alle wichtigen Belange des Lebens schaffen möchte, die auch ein einfaches und sicheres Bezahlsystem beinhaltet. Hier läuft gerade eine Testversion in Brasilien. Dieses Prinzip einer solchen Super-App ist jedoch nicht neu, sondern folgt dem Vorbild von „WeChat“ in China oder Gojek in Indonesien.
Interessant ist hierbei vor allem, wie sich nun Investitionen in Künstliche Intelligenz und neue Technologien lohnen sollen und am Ende die Investitionen auch rechtfertigen. Die Möglichkeiten erscheinen immens, wie diese Beispiele zeigen:
Es ist heute nicht abzusehen, welche Technologien oder welche Ansätze sich durchsetzen werden. Klar ist, dass der E-Commerce weiter wachsen sollte und damit auch der Ertragspool für Online-Bezahlverfahren wächst. Doch eine Vielzahl an Marktteilnehmern hat erkannt, dass der Zugang zu den Finanztransaktionen von Kunden nicht nur unmittelbare Erträge generieren kann, sondern auch den Eintritt in zahlreiche weitere Leistungen ermöglichen kann. Auch die Gewinnung wertvoller Kundendaten ist ein Motiv für verschiedene Player, im Payment-Markt vorn mitmischen zu wollen. Die Fülle von Marktteilnehmern ist also enorm, von klassischen Banken und Kreditkartenunternehmen über Zahlungsabwickler, die nun auch Endkundenlösungen anbieten, bis hin zu den großen Plattformunternehmen wie Meta. Es kann sich für Anleger daher als trügerisch erweisen, aus dem Glauben an wachsenden E-Commerce heraus auf die Aktien einzelner Zahlungsdienstleister zu setzen. Der Markt ist hochkompetitiv, technologiegetrieben und verlangt große Innovationskraft. Anleger sollten nur dort investieren, wo sie nachhaltige Wettbewerbsvorteile und starke, gut zu verteidigende Marktpositionen sehen. Dies bietet im Payment-Markt derzeit kaum einer der großen Spieler, auch wenn sich opportunistisch hier immer wieder Chancen ergeben.
Marc Decker
Co-Head of Direct Equities
Quintet Private Bank