Viele Unternehmen und Aktionäre gehen in Champagnerlaune in die anstehende Quartalssaison. Nicht nur wachsen die Gewinne in rekordverdächtigem Tempo, sondern auch die Gesamtgewinne liegen auf einem Allzeithoch. So erreichten die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 bereits im zweiten Quartal den höchsten jemals in einem Quartal erzielten Wert und übertrafen nochmals den Rekord aus dem ersten Quartal. Besonders positiv ist, dass sich die Stärke auf breiter Basis beinahe durch den gesamten Index zieht und zudem auch die Umsatzdynamik der Konzerne bemerkenswert hoch ist. Im dritten Quartal dürften die Kurven nun weiter nach oben zeigen, aber die Dynamik wird wohl schon bald nachlassen.
Finanzanalysten und Unternehmen sind mit ihren Schätzungen und Gewinnprognosen für das dritte Quartal noch deutlich optimistischer als sonst. Sowohl die Firmen selbst als auch die Analysten haben ihre Schätzungen zuletzt weiter nach oben angepasst, was dazu geführt hat, dass der Marktkonsens erneut mit einer der bisher höchsten Gewinnwachstumsraten rechnet. Für den S&P500 sind die geschätzten Gewinne für das dritte Quartal gegenüber dem Vorquartal um 3,0 % gestiegen. Im Vergleich mit dem Vorjahr dürfte das Gewinnwachstum sogar bei 24 Prozent liegen. Die ungewöhnlich hohe Wachstumsrate ist auf eine Kombination aus überdurchschnittlich hohen Gewinnen im aktuellen Quartal und vergleichsweise geringen Gewinnen im Vorjahresquartal aufgrund der negativen Auswirkungen von COVID-19 zurückzuführen. Zehn der elf Sektoren werden voraussichtlich einen Gewinnzuwachs im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen, angeführt von den Sektoren Energie, Werkstoffe, Industrie und IT.
Wir rechnen damit, dass sich die ungewöhnlich hohen Wachstumsraten der ersten beiden Quartale in den letzten beiden Quartalen nicht ganz fortsetzen werden. Die Basiseffekte, die aus dem Vergleich mit dem nach unten verzerrten Vorjahr resultieren, laufen langsam aus. Viele Nachholeffekte haben sich bereits materialisiert. Nun erwarten wir eine Verlangsamung des Wachstumstempos. Hinzu kommt, dass Teile der Wirtschaft, vor allem in den Subsektoren Freizeit, Reisen und Gastgewerbe, die durch die Pandemie beeinträchtigt werden, nach wie vor deutlich weniger als vor der Pandemie verdienen. Es ist davon auszugehen, dass viele dieser Unternehmen mit ihrer Rentabilität erst in einem Jahr wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen werden.
Unter dem Strich bleiben wir optimistisch, dass sich die positive Entwicklung der Unternehmensgewinne fortsetzt. Allerdings wird das Momentum deutlich nachlassen. Erste dunkle Wolken ziehen bereits auf. So sind etwa seit Ende Juli die Anhebungen von Gewinnschätzungen deutlich seltener geworden. Tatsächlich liegt das Ausmaß dieser Gewinnrevisionen aktuell deutlich unter dem, was wir in den vergleichbaren Zeiträumen der letzten drei Gewinnsaisonen gesehen haben. Dieser Verlust des Momentums hängt wahrscheinlich mit der sich abzeichnenden Konjunkturabschwächung zusammen, die wiederum auch auf die Deltavariante des Coronavirus zurückzuführen sein dürfte. Einen signifikanten Effekt haben auch die steigenden Kosten der Firmen bei den Löhnen, den Betriebsmitteln und im Bereich Fracht und Logistik. Dies setzt die Margen unter Druck. Ob diese Entwicklungen, wie von den Notenbanken proklamiert, vorrübergehender Natur sind, bleibt abzuwarten. Es ist jedenfalls durchaus möglich, dass einige Investoren ihre Champagnerlaune gegen einen Kater eintauschen müssen.