Die US-Aktienmärkte sind zuletzt weiterhin stark durch die Wertentwicklung der Glorreichen Sieben angetrieben gewesen. Wie stark, das zeigt ein Vergleich zwischen dem S&P 500 und einer Variante des Index, bei dem alle enthaltenen Werte gleich gewichtet werden. Bei diesem gleichgewichteten Index, dem SPW, lag die Wertentwicklung seit Jahresanfang bei 9 Prozent, während der klassische S&P500 in diesem Jahr bislang eine Performance von rund 15 Prozent aufweist. Auch der europäische Markt liegt, gemessen am STOXX 600, gegenüber dem S&P500 mit einer Performance von knapp 10 Prozent zurück.
Der Abstand zwischen dem S&P 500 und seinem gleichgewichteten Pendant ist im historischen Vergleich extrem hoch. Es ist wahrscheinlich, dass der Renditeabstand seinen Höhepunkt erreicht hat. Nun stellt sich die Frage, wie sich diese Divergenz wieder schließt – entweder durch einen Ausverkauf bei den Gewinnertiteln der letzten Quartale oder durch eine Rallye der bisherigen Nachzügler. Daher blickt der Markt nun auf die Quartalsergebnisse der Glorreichen Sieben besonders aufmerksam, um entweder eine Bestätigung für die anhaltende Outperformance zu erhalten oder die Bewertungen rasch anzupassen. Die Messlatte der Erwartungen liegt also enorm hoch.
Ohnehin sind die Märkte nicht gerade in euphorischer Stimmung. So lieferte die laufende Berichtssaison bislang gemischte Ergebnisse. Einerseits ist der Anteil der S&P500-Unternehmen, die positive Gewinnüberraschungen melden, überdurchschnittlich hoch. Dies gilt auch auf Sektorebene: In den USA verzeichneten alle der elf Sektoren positive Überraschungen bei den Gewinnen. Auf der anderen Seite ist das Ausmaß der Gewinnüberraschungen unterdurchschnittlich. Die Unternehmen liefern also durchaus ab – aber vom Guten eben nicht genug.
Dabei ist das Gewinnwachstum insgesamt durchaus gesund. Auf Indexbasis beobachten wir heute im Vergleich zum Ende des zweiten Quartals höhere und auch die höchste Gewinnwachstumsrate im Jahresvergleich seit dem vierten Quartal 2021. Es scheint, als ob wir das vierte Quartal in Folge mit einem wachsenden Gewinn im Vergleich zum Vorjahr für den Index sehen.
Für Europa zeigte sich ein etwas trüberes Bild. Einige Sektoren zeigten hier sogar rückläufige Gewinne. Zu den Sektoren, die das Gesamtgewinnwachstum belasten, gehören Grundstoffe, Finanzen, IT, Versorger und Immobilien, die alle im Jahresvergleich rückläufige Gewinne auswiesen. Insbesondere sehen wir im Luxusgütersegment schwächere Ergebnisse, wohingegen sich besonders Bankenwerte, trotz der Erwartungen für sinkende Nettozinserträge, recht solide präsentierten.
Interessant ist aber nicht nur die fundamentale Entwicklung, sondern auch, wie der Markt sie bewertet. Auffällig ist, dass der Markt Unternehmen mit positiven Gewinnüberraschungen nur unterdurchschnittlich belohnt. Auf der anderen Seite werden negative Gewinnüberraschungen dagegen überdurchschnittlich abgestraft.
Dieses generell nervöse Klima könnte die Glorreichen Sieben besonders belasten. Ein vollständiges Bild der Quartalszahlen gibt es zwar noch nicht. Alphabet, zu der Google gehört, lieferte sehr solide Zahlen ab, wohingegen beispielsweise Tesla enttäuschte. Jedoch war die Reaktion bei beiden Werten eher eine negative, was die Vermutung nahelegt, dass der Markt echte und vermeintliche Gründe zum Abstoßen von hoch bewerteten Tech-Titeln sehr bereitwillig aufnimmt. Die nächsten Tage werden somit noch sehr spannend, da diese Woche noch Microsoft, Meta, Apple und Amazon ihre Bücher öffnen. Nvidia wird erst Ende August Einblicke in den Geschäftsverlauf der letzten 3 Monate geben.
Wir raten Anlegern dazu, sich von der Nervosität der Märkte nicht beeindrucken zu lassen und langfristig im Aktienmarkt engagiert zu bleiben. Dabei empfehlen wir unverändert eine hohe Gewichtung in substanzstarken Titeln mit erprobtem Geschäftsmodell, die auch in Krisenphasen ihre Erträge und Margen hochhalten können.
Marc Decker
Co-Head of Direct Equities
Quintet Private Bank