BLITZLICHT

Zollschock: Es gibt mehr Chancen als die Anleger glauben

Durch die Zollankündigungen von Präsident Trump wurde ein wahres Börsenbeben ausgelöst. Viele Anleger suchen jetzt nach sicheren Häfen. Und selbst für die langfristigen Aktienmarkt-Optimisten stellt sich die Frage: Ist jetzt die Zeit, in andere Sektoren und andere Arten von Unternehmen umzuschichten?

Egal wie am Ende die neuen Zollregime organisiert sein wird, scheint die Globalisierung an sich Schaden genommen zu haben. Bis sich auf dieser neuen Grundlage Märkte und Lieferketten reorganisiert haben, sollten Anleger Bereiche im Blick haben, die von aktuell zu beobachtenden Entwicklungen weniger berührt sind oder sogar profitieren können.

Einen anhaltenden Aufwärtstrend erwarten wir für die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie in Europa, da geopolitische Spannungen zunehmen und Staaten ihre militärischen Budgets erhöhen, wie wir zuletzt am Beispiel Deutschlands oder Schwedens eindrucksvoll gesehen haben. Gerade hier werden Investitionen zollunabhängig getätigt und nationale oder europäische Lieferketten sowieso bevorzugt.

Auch landwirtschaftliche Grundversorger im Inland sollten Marktanteile gewinnen, da Importe teurer und lokale Produktionen bevorzugt werden. Damit sollten auch lokale Hersteller von Industriemaschinen und Anlagen Nachfragesteigerungen verbuchen, da Unternehmen ihre Lieferketten zunehmend regionalisieren. Lebensmittelkonzerne mit lokalen Lieferketten sollten ebenfalls auf eine steigende Nachfrage treffen, wenn Importe ausfallen oder verteuert werden. Gleichzeitig sollten auch Logistikdienstleister mit Inlandsfokus profitieren, da mehr Güter national transportiert und zwischengelagert werden müssen.

Ein weiteres wichtiges Wachstumsfeld sind Anbieter von Cybersecurity-Lösungen, da digitale Infrastruktur in Zeiten geopolitischer Unsicherheit stärker gesichert werden muss und Abhängigkeiten vom Ausland aufgrund sicherheitspolitischer Aspekte reduziert werden müssen.

Hersteller von Basismaterialien wie Stahl oder Aluminium können von Schutzzöllen auf ausländische Konkurrenzprodukte profitieren, sofern sie einen Großteil ihres Umsatzes im Inland erwirtschaften. Auch Müll- und Entsorgungsdienstleister haben ohnehin traditionell einen ausgeprägten nationalen Fokus und sollten daher relativ immun gegen Zölle sein. Die Kostenbasis wird aber auch hier wie in der Wirtschaft insgesamt aufgrund von höheren Kosten für Ausrüstungsgegenstände und generelle inflationäre Tendenzen ansteigen.

Ein weiterer Bereich, der jetzt aussichtsreich sein kann, sind Unternehmen aus dem Energiesektor mit Fokus auf nationale Versorgung, etwa LNG- oder Ölproduzenten oder auch Netzbetreiber mit entsprechender nationaler Ausrichtung. Sie gewinnen durch das Streben nach Energieunabhängigkeit an Bedeutung.

Und schließlich lassen sich interessante Chancen bei Firmen erkennen, die Lösungen für die Automatisierung von Produktionsprozessen bieten und es damit Unternehmen ermöglichen, Kapazitäten für das Reshoring ihrer Fertigung zu schaffen.

Die Chancen, die sich im momentanen Umfeld bieten, sind zahlreicher als viele Anleger aktuell erkennen. Allerdings ist auch klar, dass die Märkte noch mehr als einmal in Unruhe geraten und dann so gut wie alle Unternehmen mit nach unten reißen werden. Durch solche Schwankungen sollten langfristig orientierte Anleger hindurchsehen, wenn sie chancenreiche Unternehmen identifiziert haben, denen sie zutrauen, dass sie von der gegenwärtigen Entwicklung fundamental profitieren. Mehr noch: Jede Marktbewegung nach unten, kann dann sogar eine Einstiegschance sein – nur eben noch längst nicht für einen Einstieg in den Gesamtmarkt.

Marc Decker
Quintet, Co-Leiter Aktien

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