„Deutschland in der Krise“ – Schlagzeilen wie diese sind gegenwärtig an der Tagesordnung. Die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar birgt nun das Potenzial, eine auf Wachstum ausgerichtete Politik zu fördern, die sich durch ein möglicherweise höheres Maß an Verlässlichkeit als bisher auszeichnet.
Für den wirtschaftlichen Erfolg der nächsten Regierung sind aus unserer Sicht zwei Aspekte von entscheidender Bedeutung: zum einen eine klare Ausrichtung auf Wachstum, zum anderen eine stabile Handlungsfähigkeit. Beides lässt sich mit einer Zweiparteienkoalition wohl deutlich flexibler umsetzen als mit einem Mehrparteienbündnis. Eine Große Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis sind hier die wahrscheinlichsten Optionen, während die demokratischen Parteien einer Koalition mit der AfD eine Absage erteilt haben.
Die Liste der ökonomischen Herausforderungen, denen sich die weltweit viertgrößte Volkswirtschaft gegenübersieht, ist lang. Hierzu zählen unter anderem hohe Energiekosten im internationalen Wettbewerb, ein Übermaß an Verwaltung und Reglementierung sowie die Probleme in der Autoindustrie. Diese strukturellen Probleme zu adressieren, wird Zeit für die Herausbildung politischer Kompromisse erfordern.
Zugleich sollte Deutschland aber auch von seiner hohen Finanzkraft Gebrauch machen, um dem Wachstum kurzfristig kraftvolle Impulse zu geben. So hat Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2024 mit einem Staatsdefizit von voraussichtlich nur 2,6 Prozent – anders als etwa Frankreich – die EU-Schuldenregeln und die von vielen als reformbedürftig angesehene deutsche Schuldenbremse eingehalten. Genau hier liegt auch das politisch umstrittene Potenzial: der gewaltige Spielraum für eventuelle Staatsausgaben.
Unter der Annahme, dass Deutschland sich für Konjunkturprogramme verschulden würde und dafür eine Schuldenquote auf dem Durchschnitt der anderen G7-Länder (ohne Japan, das extrem hoch verschuldet ist) in Kauf nähme, könnte Deutschland gut die Hälfte seiner jährlichen Wirtschaftsleistung von 4,2 Billionen Euro in Investitionen lenken oder die Unternehmen und Privathaushalte entsprechend entlasten. Eine gewaltige Summe.
Dass dieses Potential, insbesondere kurzfristig, aufgrund der Schuldenbremse sowie der EU-Schuldenregeln nicht annähernd realisierbar ist, liegt auf der Hand. Dennoch wird die neue Regierung kaum umhinkommen, noch mehr Schulden aufzunehmen, um das von der Union angestrebte Wirtschaftswachstum wieder in Richtung wettbewerbsfähiger zwei Prozent zu hieven.
Während mehr Schulden zwar hilfreich, aber zumindest kurzfristig kaum die Lösung für eine Belebung der deutschen Wirtschaft sind, ruhen die Hoffnungen einerseits auf den Weichenstellungen der nächsten Bundesregierung und andererseits auf einer Rückkehr zur politischen Stabilität. So könnte sich beispielsweise eine mögliche Entspannung des Russland-Ukraine-Konflikts positiv auf die deutschen Verbraucher auswirken, die derzeit aufgrund höherer Energiekosten weiterhin verunsichert sind. Auch weitere Zinssenkungen der EZB und der aktuell gegenüber dem Euro schwächere Dollar könnten spürbar positive Folgen haben.
Alles in allem dürften die genannten wachstumsfördernden Trends trotz aller Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft unserer Meinung nach zunächst nur eine Stabilisierung des Wachstums um die Nulllinie herum bewirken. Die Wahrscheinlichkeit einer Wachstumsbeschleunigung bereits im ersten Halbjahr 2025 stufen wir – unter anderem wegen der Gefahr neuer Zölle von Seiten der Trump-Administration – derzeit als gering ein. Ab dem zweiten Halbjahr könnte dann die Konjunktur durch potenzielle neue Wachstumsimpulse der kommenden Regierung langsam wieder an Fahrt aufnehmen.
Insgesamt rechnen wir für 2025 mit einem verhaltenen Wirtschaftswachstum. Nach zwei aufeinanderfolgenden Rezessionsjahren wird es 2025 wohl zu nicht mehr als einer Stagnation reichen, bevor wir ab 2026 wieder Chancen für etwas mehr Wirtschaftswachstum sehen.
Die von der Union angestrebten zwei Prozent Wachstum erscheinen uns allerdings nicht gänzlich unrealistisch. Möglich ist, dass Deutschland mit einer neuen „Agenda 2030“ sogar erneut zur europäischen Wachstumslokomotive avanciert. Hierfür bedarf es einer Stärkung wichtiger Zukunftsfelder, in denen deutsche Unternehmen bereits heute führend sind und über entsprechendes Wachstumspotenzial verfügen. Dies reicht von umweltfreundlichen Technologien bis hin zu ausgewählten Technologiebereichen. Bis dahin gibt es allerdings noch einiges zu tun.
Robert Greil, CFA,
Chefstratege
MERCK FINCK A QUINTET PRIVATE BANK
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