Ein tiefer Einblick in die französischen Wahlen

Ein tiefer Einblick in die französischen Wahlen

In Anbetracht der großen Unsicherheit ist ein Parlament ohne die absolute Mehrheit einer Partei das wahrscheinlichste Ergebnis  

Am 30. Juni und am 7. Juli wählen die Franzosen ein neues Parlament. Wie funktioniert das? Es stehen 577 Sitze zur Wahl, d. h. eine Partei benötigt 289 Sitze, um eine absolute Mehrheit zu erlangen und zu regieren. Wir dieses nicht erreicht, so bedeutet es, dass mehrere Parteien versuchen eine Koalition zu bilden. Dies ist seit 2022 der Fall, eine Koalition unterstützt Präsident Macron, da seine Partei nicht über eine absolute Mehrheit verfügt. Dieses Mal scheint es etwas anders zu sein. Es wurden bereits Bündnisse geschlossen, die aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen, steuerlichen, sozialen und geopolitischen Gegebenheiten schwer zu ändern sind.  

Aktuelle Meinungsumfragen sehen die rechte Partei Rassemblement National (RN) in Führung, gefolgt vom Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) und an dritter Stelle dem zentristischen Bündnis, das Präsident Macron unterstützt. Unter der Annahme, dass die Umfragen das Ergebnis richtig vorhersagen (was nicht garantiert ist), bedeutet der Vorsprung der Rechten jedoch nicht, dass die RN eine absolute Mehrheit erhält. Denn die Wahl findet in zwei Runden statt. Die Erst- und Zweitplatzierten des ersten Wahlgangs qualifizieren sich für den zweiten Wahlgang, ebenso wie jeder andere Kandidat, der mehr als 12,5 % der registrierten Stimmen erhält. Drei Kandidaten könnten also in der zweiten Runde in die Stichwahl kommen, was die Sitzprognosen noch unsicherer macht. Die aktuellen Hochrechnungen zeigen, dass die RN auch mit Hilfe einiger Kandidaten der konservativen Mitte-Rechts-Partei Les Republicains (LR) nicht die absolute Mehrheit erreichen wird.   

Ein Parlament, in dem niemand eine absolute Mehrheit hat, ist daher den Umfragen zufolge das wahrscheinlichste Ergebnis, auch wenn selbst dieses Szenario keine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hat, um es als "beschlossene Sache" zu sehen. Denn bei diesem Szenario ist es fast unmöglich vorherzusagen, wer der nächste Premierminister sein könnte. Außerdem könnte es zu einer politischen Pattsituation kommen, in der bis zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027 wenig Spielraum für die Umsetzung neuer politischer Maßnahmen besteht. Ein Szenario, in dem die RN eine absolute Mehrheit erlangt, ist jedoch möglich, wenn auch angesichts des großen Vorsprungs der Partei in den Umfragen vielleicht weniger wahrscheinlich. Und es gibt noch ein drittes, noch unwahrscheinlicheres Szenario, bei dem das Linksbündnis gewinnt. Auch die Koalition, die Präsident Macron unterstützt, könnte überraschen, aber das scheint sehr unwahrscheinlich.   

Bedeutende Ausgabenvorschläge werden aufgrund des begrenzten Spielraums kaum durchsetzbar sein 


Die neue Regierung wird wenig Spielraum für eine groß angelegte Ausgabenpolitik haben, da Frankreich finanzpolitische Zwänge hat. Mit einem Defizit von rund 5 % des BIP erhielt Frankreich letzte Woche eine offizielle Warnung der Europäischen Kommission (EK), weil es die Defizitgrenze der Europäischen Union (EU) von 3 % des BIP (das so genannte Verfahren bei übermäßigem Defizit) überschritten hat, ebenso wie Italien, Belgien, Malta, Ungarn und Polen. Diese Länder müssen nun in den kommenden Monaten gemeinsam mit der Europäischen Kommission einen Kurs zur Haushaltskonsolidierung einschlagen. Natürlich könnten sich die Beziehungen zur EU unter einer RN-Regierung schwieriger gestalten und die Verhandlungen insgesamt erschweren. Auch könnte es zu einer gewissen fiskalischen Schieflage kommen, obwohl wir in unserem Basisszenario davon ausgehen, dass diese nicht so groß sein wird, dass sie den französischen Staatsmarkt und das Finanzsystem ernsthaft unter Druck setzen würde.  

  

Dies liegt daran, dass das RN seine Vorschläge abgeschwächt hat und den Märkten damit versichern wollte, dass es die finanzielle Stabilität Frankreichs nicht gefährden würde. Insbesondere befürwortet die RN nicht mehr den Austritt aus dem Euro. Auch auf fiskalischer Ebene könnte die Regierung zwar versuchen, mehr auszugeben als die Tragfähigkeitsbedingungen der französischen Staatsverschuldung rechtfertigen, doch glauben wir, dass es Grenzen gibt. Der Grund hierfür liegt darin, dass es sehr schwierig werden würde, für die Umsetzung politischer Maßnahmen eine Marktfinanzierung zu sichern, wenn die Bedingungen für die Staatsfinanzierung in Frankreich schwierig würden – wie wir es bereits erlebt haben, als Großbritannien unter der Regierung von Liz Truss umfangreiche ungedeckte Haushaltspläne ankündigte. In gewisser Weise ähnelt unser Basisszenario dem, was mit der aktuellen italienischen Regierung geschah, wo eine rechtsgerichtete Koalition zwar für einige Volatilität sorgte, aber - wahrscheinlich als Lehre aus vergangenen Episoden in Südeuropa - zumeist an der Mainstream-Politik festhielt, was zu einer begrenzten Marktvolatilität führte und die Performance italienischer Vermögenswerte im Allgemeinen nicht sonderlich beeinträchtigte.  

Was bedeutet das für die Märkte?
In jedem der skizzierten Szenarien ist angesichts der Ungewissheit mit einer Volatilität der Märkte während der beiden Wahlgänge zu rechnen, bevor mittelfristig wieder fundamentale Faktoren die Märkte bestimmen. Französische Staatsanleihen sind angesichts der (mäßigen) steuerlichen Unsicherheit am stärksten von den Ereignissen betroffen. Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen könnte sich ausweiten, wenn auch nur moderat, da er sich bereits um 25 Basispunkte erhöht hat. Was die Aktien betrifft, so findet der CAC 40 derzeit Unterstützung, nachdem er seit den Europawahlen um rund 10 % korrigiert hat. Es könnte jedoch sein, dass die französischen Aktien bei einer Erholung schlechter abschneiden als ihre europäischen Konkurrenten (was nicht negativ sein muss). Obwohl sich die französischen und europäischen Aktien auf einem Niveau befinden, das man aus fundamentaler Sicht als "attraktiv" bezeichnen könnte, halten wir es für verfrüht, in diese Märkte einzusteigen, solange sich die zugrunde liegende Unsicherheit nicht gelegt hat.

Lassen Sie uns verschiedene Szenarien durchspielen:

Szenario Nr. 1: Unentschiedenes Parlament

Wir denken, dass das Ergebnis der Parlamentswahlen derzeit in den Marktpreisen gut widergespiegelt ist. Das Potenzial für eine weitere Ausweitung der deutsch-französischen Anleihespanne wäre daher begrenzt und möglicherweise nur von kurzer Dauer, da wir keine schwerwiegenden Finanzierungsengpässe oder eine "Ansteckung" auf andere Länder erwarten. Unseren Untersuchungen zufolge dürfte der Euro oberhalb von 1,05-1,06 USD/EUR Unterstützung finden, bevor die Zinssätze und die Unterschiede im Wirtschaftswachstum die Währung wieder antreiben. Wir bleiben bei unserer Ansicht, dass der Euro gegenüber dem Dollar leicht aufwerten könnte, wenn die US-Notenbank mit einer Zinssenkung beginnt (im September oder vielleicht gegen Jahresende möglich). Wenn sich die europäische Wirtschaft weiterhin allmählich erholt, wie wir glauben, vor allem dank des Dienstleistungssektors, und die anderen Volkswirtschaften weltweit stabil bleiben, könnte dies den Euro ebenfalls unterstützen. In diesem Szenario wird der CAC 40 wahrscheinlich steigen, sobald sich die politische Unsicherheit legt. 

Szenario #2 | Absolute Mehrheit der Rechten (oder der Linken)

Szenarien, in denen die RN oder die NPF eine absolute Mehrheit erlangen, könnten jedoch die französischen Märkte und den Euro kurzfristig ins Minus ziehen. Sie könnten vor allem zu größeren Haushaltsausgaben führen, die derzeit nicht eingepreist sind. Wir sind jedoch der Meinung, dass mittelfristig das Wirtschaftswachstum und die Geldpolitik die Märkte viel stärker beeinflussen werden als die politischen Entwicklungen. Außerdem müssten selbst bei einer absoluten Mehrheit für RN oder den NPF Mittel auf den Märkten aufgenommen werden, was das Ausmaß eines jeden Ausgabenplans begrenzen dürfte (wenn auch vielleicht nach stärkerer Volatilität). Wir sehen die europäische Wirtschaft auf einem allmählichen Erholungspfad, der durch ein oder zwei weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor Ende 2024 noch unterstützt wird. Auf jeden Fall erwarten wir nicht, dass die EZB französische Staatsanleihen kauft, wenn diese aufgrund erheblicher finanzieller Fehlentwicklungen, die durch nicht finanzierte Ausgabenpläne verursacht werden, abwerten sollten, wie sie es auch nicht getan hat, als Italien in einer ähnlichen Situation war. Natürlich würde die EZB im Falle einer Bedrohung der europäischen Finanzstabilität (was nicht unser Basisszenario ist) wahrscheinlich eingreifen und europäische Staatsanleihen kaufen, möglicherweise auch zur Unterstützung Frankreichs, falls dessen Finanzpolitik einen Kurswechsel vollzieht.  

Wie wir in Kernportfolios positioniert sind  

Unsere Vermögensallokation spiegelt die sich verbessernden Wirtschaftsaussichten wider (über die Sie in unserem Halbjahresausblick lesen können), aber wir haben sie auch so gestaltet, dass sie anhaltende Risiken wie Geopolitik und Wahlen abmildert. Zu Beginn des Jahres haben wir damit begonnen, unsere Präferenz für Anleihen gegenüber Aktien zu verringern, da der große Gegenwind für Aktien, wie z. B. Zinserhöhungen, wegfielen. In der Folge haben wir hochwertige Anleihen aufgestockt und unser Engagement in Aktien allmählich erhöht, da sich die Inflation abschwächte.   

Wir halten auch an unserer diversifizierten Allokation über die Märkte hinweg fest. Eine geopolitisch fragmentierte Welt, die zu Volatilität führen könnte, bleibt eine unserer Kernthesen. Aus diesem Grund haben wir zu Beginn des Jahres mehrere Diversifikatoren in unsere Kernportfolios aufgenommen. Eine breite Palette von Rohstoffen schützt in der Regel vor geopolitischen Unsicherheiten, wenn beispielsweise die Ölpreise in die Höhe schnellen. Außerdem haben wir ein Aktien-"Versicherungs"-Instrument in die Portfolios aufgenommen, sofern die Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden sowie die Vorschriften dies zulassen. Ein solches Instrument schützt vor möglichen Kursrückgängen an den Aktienmärkten, wie wir sie in den vergangenen zwei Wochen erlebt haben, als die europäischen Aktienkurse nach den Ergebnissen der Europawahlen und der französischen Wahlen fielen. 

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