Erwartung der Marktreaktion auf die Wahlen
Es ist immer noch unmöglich vorherzusagen, wer 47. US-Präsident/-in wird, wenn die Amerikaner morgen an die Urnen gehen. Allerdings sind seit Oktober die Chancen auf einen Sieg von Donald Trump und sogar einen Sieg der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses (Senat und Repräsentantenhaus) gestiegen, wobei in Sachen Präsidentschaftswahl Kamala Harris am Wochenende den Abstand auf Trump wieder verkleinert hat (und in einigen Umfragen zum Wählerwillen knapp vorne liegt).
Hier die wichtigsten Szenarien im Überblick:
Szenario 1: Trump gewinnt, und die Republikaner gewinnen beide Kammern des Kongresses
Der Sieg Trumps bei den Präsidentschaftswahlen und der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses ist der so genannte "Red Sweep", den die Märkte derzeit zu antizipieren scheinen: Die Wall Street hat sich besser entwickelt als die Aktienmärkte anderer Regionen, und der US-Dollar hat aufgrund der Erwartung, dass das Wirtschaftswachstum in den USA stärker ausfallen wird als im Rest der Welt, an Wert gewonnen; die Renditen von US-Staatsanleihen stiegen und ihre Kurse sanken aufgrund der Erwartung, dass größere Staatsdefizite negativ für Staatsanleihen sein könnten.
Da dies das von Anlegern erwartete Szenario zu sein scheint, könnte jedes andere Ergebnis als ein "Red Sweep" zu einer erheblichen Marktreaktion führen. Das liegt daran, dass sich die Märkte gemäß ihren Erwartungen bewegen. Oft liest man, dass Szenarien "eingepreist" seien, d.h., wenn ein Szenario so abläuft, wie es der Markt erwartet, wird es keine große Reaktion geben. Im Folgenden haben wir drei weitere mögliche Szenarien skizziert, die die Märkte in erheblichem Maße bewegen könnten.
Szenario 2: Trump gewinnt, und die Demokraten gewinnen eine Kammer des Kongresses
Wir glauben, dass dieses Szenario zu strengeren Zöllen und Einwanderungsgesetzen, aber nicht zu Steuersenkungen ohne die Zustimmung des Kongresses führen dürfte. Dies könnte sich negativ auf US-Aktien auswirken, da die Lohnkosten höher wären und es keinen Rückenwind durch Steuersenkungen gäbe. Zusätzliche Zölle und Handelshemmnisse könnten auch die Aktien der Schwellenländer beeinträchtigen. Da dieses Szenario jedoch wahrscheinlich ein moderateres US-Wirtschaftswachstum bedeutet, könnten Anleihen davon profitieren.
Szenario 3: Harris gewinnt, und die Demokraten gewinnen beide Kammern des Kongresses
Das Potenzial für höhere Unternehmenssteuern und möglicherweise mehr Regulierungen könnte die Stimmung für Aktien und den US-Dollar dämpfen, wenn auch nur mäßig, da höhere Ausgaben und eine lockere Einwanderungspolitik teilweise ausgeglichen werden könnten. Das unter Harris zu erwartende Haushaltsdefizit ist zwar beträchtlich, dürfte aber geringer ausfallen als bei Trump und die Inflation nicht so stark anheizen, so dass die US-Notenbank (Fed) ihre Leitzinssenkungen fortsetzen kann, was Anleihen unterstützen würde.
Szenario 4: Harris gewinnt, und die Republikaner gewinnen eine Kammer des Kongresses
Dies könnte eine lockere Einwanderungspolitik, aber keine Erhöhung der Ausgaben bedeuten. Dies ist vielleicht das mildeste Szenario in Sachen Marktreaktion, ähnlich einem "Red Sweep", zumindest in der Richtung, aber vielleicht in geringerem Ausmaß.
Fairerweise muss man sagen, dass es ein fünftes Szenario gibt, bei dem sich die finalen Wahlergebnisse um Wochen oder sogar Monate verzögern. Sie werden mit ziemlicher Sicherheit nach ein paar Tagen eintreffen, aber dies könnte das schlimmste Szenario für die Märkte sein, bei dem eine Flucht in Sicherheit wahrscheinlich ist. Dies würde zu niedrigeren Aktienkursen und höheren Preisen für Staatsanleihen und Gold führen.
Wie wir uns für die US-Wahlen gerüstet haben
Wenn alles möglich ist, wie können wir Portfolios aufbauen, um auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein? Unsere Analyse zeigt, dass eine langfristige Anlage höhere Renditen bringt als der Versuch, die Entwicklung der Märkte in den nächsten Tagen oder Wochen vorherzusagen – vor allem dann, wenn sie von politischen Ereignissen bestimmt wird. Das Risiko, sich zu irren, ist in diesen Fällen hoch und führt oft dazu, dass die besten Tage verpasst werden. In einem solch unsicheren Umfeld ist Diversifizierung der Schlüssel. Wir haben über verschiedene Anlageklassen und Regionen hinweg diversifiziert, um potenzielle Abschwünge abzufedern. Auf diese Weise hätte ein unerwartetes Ergebnis geringere Auswirkungen auf die Performance.
Wir haben auch direkte "Versicherungsinstrumente" für die USA und Europa hinzugefügt, wo das Fachwissen und die Kenntnisse der Kunden sowie die Vorschriften es zulassen. Diese Absicherungsinstrumente wirken sich positiv aus, wenn der Aktienmarkt sinkt. Und wir besitzen weniger US-Staatsanleihen im Vergleich zu unserer langfristigen, strategischen Asset Allocation, da wir nicht übermäßig in diesem Markt engagiert sein wollen, bis wir Klarheit über den finanzpolitischen Kurs der USA haben. Darüber hinaus haben wir keine taktische Position in Schwellenländern, sowohl in Aktien als auch in festverzinslichen Wertpapieren, bis wir Klarheit über die US-Handelspolitik und das Potenzial für zusätzliche Sanktionen und Zölle haben.
Neben den US-Wahlen ist es Zeit für weitere Notenbankentscheidungen
Inflation und Wachstum in der Eurozone inklusive Deutschlands fielen vergangene Woche höher aus als erwartet. Wir gehen jedoch weiterhin davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bis Ende 2025 vier bis fünf weitere Leitzinssenkungen vornehmen wird, da wir erwarten, dass sich die Inflation im Jahr 2025 vor dem Hintergrund eines moderateren Wachstumsumfelds um das 2%-Ziel herum einpendeln wird. Andernorts in Europa wird die schwedische Zentralbank am Donnerstag wahrscheinlich die Zinsen senken, wobei die Märkte darüber debattieren, ob die Senkung ein halbes oder ein Viertelprozent betragen wird.
In den USA entsprach die Inflation im Großen und Ganzen den Erwartungen, und die Wachstumsdaten zeigten einen robusten privaten Verbrauch. Der Arbeitsmarktbericht war eine große Enttäuschung, denn es wurden im Oktober lediglich 12.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Dies war deutlich weniger als erwartet, und die Schaffung von Arbeitsplätzen war in den Vormonaten gedämpfter als ursprünglich gemeldet. Dies wurde jedoch durch die Hurrikan-Folgen und des Boeing-Streiks verzerrt, so dass wir mit einer Erholung rechnen. Da sich die Zahl der offenen Stellen jedoch weiter abschwächt, glauben wir, dass sich der US-Arbeitsmarkt abkühlt. Wir gehen davon aus, dass dies für die Fed ein weiterer Grund sein wird, ihren Leitzinsen zu senken, wenn auch langsam. Wir rechnen damit, dass die Fed ihn am Donnerstag von 4,75-5% auf 4,5-4,75% senken wird.
Im Vereinigten Königreich werden die Märkte weiterhin die Folgen des Staatshaushalts bewerten. Nach anfänglich positiver Reaktion während der Bekanntgabe des Haushaltsplans begannen die Renditen für britische Staatsanleihen wieder zu steigen, was auf die Besorgnis über eine erhebliche Kreditaufnahme des öffentlichen Sektors hindeutet. Der Aktienindex FTSE 100 reagierte ebenfalls negativ, auch wenn er sich im Laufe der letzten Woche zu erholen begann. Das Pfund Sterling notiert praktisch unverändert. Wir erwarten, dass sich die Währung in nächster Zeit seitwärts bewegen wird. Die Märkte könnten allerdings von der Zinsentscheidung der Bank of England am kommenden Donnerstag beeinflusst werden. Wir gehen davon aus, dass die Zentralbank ihre Leitzinssätze erneut auf dann 4,75 % senken wird, und wir rechnen weitere Zinssenkungen in den nächsten Monaten. Sollten die Anleiherenditen jedoch weiter steigen, könnte die Bank die Zinsen weniger stark senken als derzeit von den Märkten erwartet.
In Deutschland schließlich stehen diese Woche an wichtigen Konjunkturdaten vor allem Zahlen aus der Industrie auf der Agenda: am Mittwoch die Auftragseingänge im September sowie tags darauf die Produktionszahlen für diesen Monat sowie die entsprechende Handelsbilanz. Unterdessen richten sich die Augen auf die Entwicklungen in Berlin in Sachen Koalitionsstreit.
*Die in dem vorliegenden „Markt- und Investment-Update“ zugrundeliegenden Informationen stammen aus Medienberichten, öffentlich zugänglichen Unternehmensberichten und den gesondert angegebenen Quellen. Die Quellen wurden von Merck Finck auf der Basis ihrer professionellen Einschätzung als verlässlich gewertet. Merck Finck kann jedoch keine Haftung für die Korrektheit und Vollständigkeit der Informationen übernehmen. Die dargestellten Annahmen, möglichen Entwicklungen und Meinungen stellen Merck Fincks professionelles Urteil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des „Markt- und Investment-Update“ dar und unterliegen der Möglichkeit der jederzeitigen Änderung, ohne dass dies zu einer entsprechenden Veröffentlichung führen muss. Das „Markt- und Investment-Update“ stellt in keinster Weise ein Angebot, eine Aufforderung oder eine Empfehlung zum Erwerb oder Verkauf eines Finanzinstrumentes oder der Beauftragung einer Finanzdienstleistung dar. Merck Finck weist daraufhin, dass Finanzanlagen das Risiko des vollständigen Kapitalverlustes innewohnen kann. Der Anleger sollte ausschließlich in Finanzanlagen investieren, deren Risiken er auf Basis seiner Erfahrungen und Kenntnisse verstehen kann und in der Lage ist diese auch finanziell zu tragen. Vor einer Investition in einzelne Finanzinstrumente bzw. der Beauftragung von Finanzdienstleistungen sollte unbedingt professioneller Rat eingeholt werden. Copyright © 2020: MERCK FINCK A QUINTET PRIVATE BANK (EUROPE) S.A. branch